Julia Collection Band 28
sollte sie jedoch nicht für die unbeholfene Jungfrau halten, die sie in Wahrheit war.
„Nicht im Moment“, erwiderte sie etwas linkisch.
Er sah sie nur schweigend an.
Weil sie fürchtete, er könnte sie durchschauen, stand sie auf. „Also, ich muss jetzt wirklich gehen. Träumen Sie gut.“
Er streichelte Barney. „Bis morgen früh.“
Sie nickte und griff nach dem schlafenden Hund. Dabei berührten sich ihre Hände, und sie verspürte wieder diesen wohligen warmen Schauer.
Ehe sie sich zurückziehen konnte, fasste Sullivan behutsam nach ihrem Zopf. „Tragen Sie das Haar jemals offen, Lissa?“
„Nie“, erwiderte sie kaum hörbar.
„Das sollten Sie aber“, sagte er sanft.
Sie richtete sich langsam wieder auf und entzog ihm den Zopf. „Gute Nacht, bis morgen.“
Während sie zum Haus ging, versuchte sie, die Anziehung zu einem Mann zu unterbinden, der für sie niemals infrage kam. Trotzdem wurde sie den Gedanken nicht los, das Haar offen zu tragen – für ihn.
4. KAPITEL
Tragen Sie das Haar jemals offen?
Lissa stand in ihrem Schlafzimmer vor dem bodenlangen Spiegel und betrachtete die Mähne, die über Schultern und Rücken fiel. Warum ließ sie das Haar nicht abschneiden?
Sie hatte ein schwarzes Kleid mit dreiviertellangen Ärmeln angezogen. Der Saum reichte bis zu den Waden. Dieser einfache Stil passte zu ihr.
Blieb nur noch das Haar. Sie hätte es offen tragen können, wie Sullivan vorgeschlagen hatte, doch dann hätte sie sich entblößt gefühlt.
Ihr Dad wollte ihren neuen Wein vorstellen. Darum war diese Party mit örtlichen Winzern und Weinkennern äußerst wichtig. Außerdem hatte ihr Dad auch noch diese Reporterin eingeladen.
Am liebsten hielt Lissa sich unauffällig im Hintergrund. Sie war jedoch überhaupt nicht scheu, wenn es um Wein oder überhaupt das Weingut ging. Darum hatte sie sich zum ersten Mal seit Jahren zurechtgemacht – na ja, ein wenig zurechtgemacht. Fehlte nur noch die Frisur. Offen? Zum Zopf geflochten?
Schließlich entschied sie sich für ein Zwischending. Ein locker geschlungener Knoten, der bis auf die Schulterblätter reichte. Das wirkte elegant, aber nicht aufgedonnert.
Viertel vor sieben. Die Gäste mussten jeden Moment eintreffen. Hastig zog sie Pumps mit niedrigen Absätzen an, Schuhe, wie sie vermutlich die gute alte Tante Clara bevorzugte. Dann ging sie zur Küche, um ihrer Mutter zu helfen. Donna hatte allerdings für den Abend einen Partyservice bestellt, sodass kaum was zu tun blieb.
Gerade als Lissa das Erdgeschoss erreichte, klopfte es. Sie ging zur Tür und öffnete.
Sullivan stand in einer schwarzen Hose, einem am Kragen offenen weißen Hemd und einem schicken Sportjackett vor ihr, als wäre er direkt der Titelseite einer Modezeitschrift entstiegen.
„Sie sehen großartig aus, Lissa. Hübsches Kleid“, erklärte er lächelnd.
„Danke.“ Meinte er das ernst, oder sagte er das nur so dahin, weil man es eben sagte? „Treten Sie ein. Möchten Sie etwas trinken?“
Er folgte ihr ins Wohnzimmer. „Haben Sie Scotch?“
„Kommt sofort.“
Das Haus füllte sich rasch mit Gästen, mit denen Lissa sich lächelnd unterhielt. Als es wieder klingelte, rechnete sie mit der Reporterin von Through the Grapevine . Sie war als Einzige noch nicht da. Lissa wusste nur, dass sie Gretchen Thomas hieß. Am Telefon hatte sie niemand auf die üppige Blondine vorbereitet, die in ihrem roten Kleid den Straßenverkehr zum Erliegen bringen konnte.
Im ersten Moment fand Lissa diese Aufmachung zu auffällig, doch das stimmte nicht ganz. Die Blondine war einfach elegant und verströmte Selbstbewusstsein.
Etliche Männer musterten die Blondine offen. Lissa warf einen Blick nach unten. Rote Riemchensandalen mit hohen Absätzen. Toll. Und die Zehennägel waren rot lackiert.
Nun ja, Lissas Pumps waren wenigstens bequem, und wer wollte schon Hühneraugen und Fußfehlstellung riskieren? Wahrscheinlich hatte Sullivans Großtante Carla tolle Füße. Sie mochten faltig sein, waren aber bestimmt nicht vom jahrelangen Tragen schicker Schuhe verkrümmt.
Lissa erinnerte sich an ihre guten Manieren, reichte der attraktiven Reporterin die Hand und stellte sich vor. „Sie sind bestimmt Gretchen Thomas“, fügte sie hinzu.
„Allerdings. Vielen Dank für die Einladung.“ Gretchen ließ den Blick aus den leuchtend blauen Augen wandern und richtete ihn schließlich zielsicher auf Sullivan. Er hatte sie natürlich längst entdeckt. „Wer ist denn der Mann dort beim
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