Julia Collection Band 28
Bücherschrank?“, fragte Gretchen. „Ein Winzer aus der Gegend? Ich kenne ihn nicht.“
„Er ist Unternehmensberater“, erwiderte Lissa.
„Wie interessant.“
Ja, nicht wahr? Lissa hätte am liebsten einen ihrer bequemen Pumps in den Po der Blondine getreten und die Reporterin aus dem Haus gejagt, bevor sie mit dem interessanten Unternehmensberater Telefonnummern austauschen konnte. Doch wozu die Mühe? Man brauchte keine Kristallkugel, um jetzt schon zu wissen, wie der Abend verlaufen würde. So war eben das Leben.
Mit leuchtenden Augen hob Gretchen den Kopf, straffte sich und steuerte den interessantesten Junggesellen im Raum an – zumindest in der Altersklasse unter dreißig.
Anthony Martinelli, ein langjähriger Freund von Lissas Vater und erfolgreicher Winzer, hatte seine Frau im letzten Winter verloren, und man erzählte sich, er würde nach einer neuen Liebe suchen. Zwar sah er nicht schlecht aus, war jedoch für eine Frau wie Gretchen vermutlich zu bieder. Sullivan entsprach da schon eher ihrem Stil, und darum hatte ihn die „Lady in Red“ auch schon aufs Korn genommen.
Vorbei war es mit Lissas Idee einer kleinen Affäre. Vermutlich war Sullivan noch vor Ablauf dieses Abends vergeben.
Warum störte sie das? Schließlich hatte sie gewusst, dass ihre albernen Fantasien nicht Wirklichkeit werden konnten. Trotzdem wurde ihr flau im Magen, als Sullivan der Blondine lächelnd entgegenblickte. Nimm dich zusammen, befahl Lissa sich.
Anthony Martinelli kam zu ihr. „Hallo, Lissa, hübsch siehst du heute Abend aus.“
„Danke“, erwiderte sie. „Du siehst aber auch nicht schlecht aus.“
In jüngeren Jahren war Anthony bestimmt ein Frauenheld gewesen. Heute gehörte er zu den attraktivsten Männern mittleren Alters, die sie kannte, und wirkte im Gegensatz zu anderen Freunden ihres Vaters nicht so träge. Er hatte keinen Bauch angesetzt, und die grauen Schläfen verliehen ihm zusätzlichen Charme.
„Ich habe gehört, dass du eine neue Weinsorte vorstellen wirst“, sagte Anthony.
Lissa war froh, über ihre Arbeit sprechen zu können. „Wir nennen sie Virgin Mist .“
„‚Jungfräulicher Nebel‘? Das klingt gut.“
„Wir möchten, dass unsere engsten Freunde ihn als Erste kosten“, fuhr sie fort.
„Dann freut es mich besonders, dass ihr mich eingeladen habt. Ich wollte dich schon anrufen. Zwar habe ich keine Ahnung, wie dein Terminkalender aussieht, aber ich würde dich gern irgendwann zum Essen einladen.“
Das kam ja völlig überraschend! Um Himmels willen, hatte der Witwer womöglich ein Auge auf sie geworfen? Wohl kaum. Vermutlich wollte er über Geschäfte reden.
„Ich sehe nach, aber ich sag dir gleich, zurzeit habe ich viel zu tun. Dad muss bald nach San Diego.“
„Was ist in San Diego?“
„Er muss sich um seinen Onkel kümmern“, erklärte sie. „Während Dad fort ist, arbeite ich mit dem Unternehmensberater, den er engagiert hat. Sobald der abgereist ist, habe ich bestimmt wieder Zeit.“
„Gut, dann rufe ich dich nächste Woche an“, versprach Anthony und richtete die blauen Augen eingehend auf sie.
Flirtete er mit ihr? Ach was. Es war wieder einmal ihre Fantasie, die mit ihr durchging. Und das alles nur wegen Sullivan. Trotzdem gefiel ihr die Vorstellung, ein Mann könnte sie attraktiv finden, selbst wenn er zwanzig Jahre älter war als sie.
Gretchen Thomas hatte sich gleich auf Sullivan gestürzt und schien ihn bis zum Frühstück nicht mehr freigeben zu wollen. Sie war attraktiv, wusste es auch und verstand es, sich vorteilhaft zu präsentieren. Hätten sie sich bei einer anderen Gelegenheit kennengelernt, hätte Sullivan vermutlich das unausgesprochene Angebot von Sex angenommen. Heute Abend interessierte ihn an Gretchen jedoch nur der Artikel, den sie über Virgin Mist schreiben würde.
„Wir könnten doch beim Essen nebeneinandersitzen“, schlug sie lächelnd vor.
„Mrs. Cartwright hat wahrscheinlich schon einen Sitzplan erstellt.“ Sullivan hoffte es wenigstens, weil es ihm lieber gewesen wäre, wenn Gretchen sich für den Rest des Abends auf jemand anders stürzte. Er hätte sie sonst höchst behutsam zurückweisen müssen, und wenn er das nicht schaffte, wurde es unangenehm. Eine enttäuschte Frau war bereits gefährlich, aber eine enttäuschte Reporterin war eine Katastrophe. Darum bemühte er sich, herzlich und doch zurückhaltend zu bleiben. Gretchen machte es ihm allerdings nicht leicht.
„Ich bin Meisterin im Tischkärtchen-Umstellen.
Weitere Kostenlose Bücher