Julia Collection Band 51
rühren Sie die Kalkulationen nicht an. Die sind vertraulich.“
„Nicht im Traum würde mir das einfallen. Alles, was auch nur im Entferntesten mit Mathematik zu tun hat, finde ich grässlich.“
Patricia verließ ihr Büro und ging zu Sams Büro. Hätte sie mehr Zeit zum Nachdenken gehabt, hätte sie Melissa sagen können, dass Sam in einer Sitzung war und bis zum Mittag nicht in seinem Büro sein würde. Melissa hätte also selbst nachsehen können. Aber nun war sie schon mal hier.
Sie blickte sich um, aber ein Bild von Melissa war nirgendwo zu finden. Stattdessen stand ein silbergerahmtes Foto von ihr auf seinem Schreibtisch. Es war im Frühling aufgenommen worden, als sie gemeinsam mit den neuen Bewerbern in Fort Lauderdale gewesen waren. Gestern hatte dieses Foto noch nicht dort gestanden.
Sie lächelte verträumt vor sich hin.
Es steht nur so lange dort, bis es Zeit für die Scheidung wird, warnte eine mahnende Stimme in ihr.
„Ja, aber im Moment steht es noch dort“, sagte sie laut.
„Tut mir leid, da waren keine Bilder von Ihnen“, teilte sie Melissa mit, als sie zurück in ihr Büro kam. „He, haben Sie sich etwa doch die Kalkulationen angesehen?“
Melissa stand über Patricias Schreibtisch gebeugt und wandte sich jetzt um. Eine Hand hielt sie über die Muschel des Telefonhörers.
„Ihre Mutter“, sagte sie bedeutungsvoll. „Sie haben ihr nicht gesagt, dass Sie heiraten werden?“
Patricia rieb sich mit zwei Fingern die Nasenwurzel und trat an den Schreibtisch, um den Hörer zu nehmen, den Melissa ihr hinhielt. Melissa griff nach ihrer Handtasche und winkte zum Abschied, dann zog sie die Tür hinter sich zu.
„Mom …“
„Zur Hochzeit bin ich natürlich da.“
„Nein, Mom, das ist nicht nötig. Es ist nicht die Art von Hochzeit, wie du es dir vielleicht …“
„Nicht die Art von Hochzeit? Was soll denn das heißen? Meine einzige Tochter heiratet. Da muss ich doch dabei sein.“
„Mom, erinnerst du dich noch daran, als du und Dad in der Sowjetunion akkreditiert wart und wir in Russland gelebt haben? An den Physiker, den man nach Sibirien verbannen wollte?“
„Ja“, meinte Patricias Mutter nachdenklich. „Wie hieß er noch? Sergei Rathmikolow. Er hat die Sekretärin deines Vaters geheiratet, weil er dadurch diplomatische Immunität erhielt und nach Amerika geschleust werden konnte.“
„Genau den meine ich. Nun, das mit dieser Hochzeit ist ähnlich.“
„Natürlich hat die Sekretärin sofort die Scheidung eingereicht, nachdem Sergei sicher in den Vereinigten Staaten angekommen war. Er hat jetzt eine Professur in Harvard.“ Sie hielt inne. „Aber das war doch eine arrangierte Scheinehe.“
„Genau, Mom. Viel anders ist es bei mir auch nicht.“
Lange hörte Patricia nichts mehr vom anderen Ende. So lange, dass sie schließlich fragte: „Hallo? Mom, bist du noch dran?“
„Du meine Güte“, seufzte Mrs Peel schließlich. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass Arizona politische Probleme dieser Art hat. Was hast du denn vor? Willst du deinen Ehemann nach Texas schmuggeln?“
„Hier. Die hat Rex uns für heute Abend geschenkt.“ Sam stand in Patricias Büro und ließ zwei Theaterkarten auf ihren Schreibtisch fallen. „Oper – Madame Butterfly.“
Patricia nahm die Karten und betrachtete sie genauer. „Im Orpheum.“ Sie seufzte verträumt. „Ist das Theater nicht erst kürzlich wieder eröffnet worden?“
„Ja, sie haben es von Grund auf renoviert. Überall Gold und Stuck.“
„Ich würde gern hingehen“, sagte sie. „Das sind sogar Logenkarten. Es sei denn, das wird dir alles zu viel. Wir könnten sagen, dass wir noch alles mögliche für die Hochzeit vorzubereiten haben, und dass die Aufregung …“
„Es sind Rex’ Karten. Er sollte sich heute Abend mit dem Gouverneur dort treffen. Der Gouverneur hat die Loge nebenan. Ich habe Rex zugesagt, dass ich an seiner Stelle mit dem Gouverneur reden werde. Es sähe doch seltsam aus, wenn du nicht bei mir wärst.“
„Ich habe überhaupt nichts anzuziehen.“
„Dann zieh eben gar nichts an“, neckte Sam sie grinsend.
Sie trug heute ein korallenrotes Kostüm aus Shantung-Seide, ihr Haar hatte sie heute Morgen so gefönt, dass es gerade richtig zwischen wirr und frisiert aussah. Sie hatte ganze fünfundvierzig Minuten dazu gebraucht, und ihre Arme schmerzten noch immer.
Und trotzdem wusste sie, dass sie am Ende dieses Arbeitstages Tintenflecke an den Fingern und Falten im Kostüm davontragen und ihre
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