Julia Collection Band 51
gebändigte Lockenpracht sich längst verselbstständigt haben würde.
Sie sah an sich herab. „Nein, ich werde ein Kleid tragen. Das hier sind Sachen fürs Büro.“
Zwar bewegte sich der Stand ihres Bankkontos bedenklich gen Null, aber mit Gascon als ihrem Berater hatte sie Garderobe für jede Gelegenheit im Kleiderschrank.
„Wo sind eigentlich die grauen Kostüme und die gestärkten weißen Blusen geblieben?“, fragte Sam.
„Ich möchte einfach nicht wie ein Trampel aussehen.“
„Patricia, du hast nie wie ein Trampel ausgesehen“, widersprach Sam sofort. „Aber jetzt siehst du wirklich umwerfend aus. Als wir gestern Abend in dem Restaurant waren, haben sich alle Männer den Hals verrenkt. Eigentlich müsste ich eifersüchtig sein.“
„Bist du das?“, fragte sie hoffnungsvoll.
„Nein, natürlich nicht.“ Ihm fiel nicht auf, dass sie die Schultern hängen ließ. „Du riechst auch gut.“
„Ja, wirklich? Danke.“
„Du riechst nach … nach …“ Sam suchte nach dem passenden Ausdruck.
„Nach dem verführerischen Duft orientalischer Blüten?“, fragte sie erwartungsvoll. Schließlich hatte sie fast hundert Dollar für diesen winzigen Flacon bezahlt. Aber die Verkäuferin in der Parfümerie hatte ihr versichert, dass alle Männer ihr sofort hilflos erliegen würden, sobald sie auch nur eine Ahnung dieses Duftes erhaschten.
Allerdings hatte sie bisher kein Parfum finden können, dass sexuelles Interesse in Liebe verwandeln würde. Falls sie ein solches Zauberwässerchen je finden sollte, würde sie sich zwei Wasserkanister damit füllen lassen, ganz gleich, was es kosten sollte.
Sam hatte versprochen, sie nicht mehr zu kompromittieren und ihr keine eindeutigen Angebote mehr zu machen. Und er hatte sich an sein Versprechen gehalten. Er witzelte mit ihr, er bewunderte sie, er machte ihr Komplimente, ab und zu ließ er sich sogar zu einem bewundernden Pfiff hinreißen, aber nie wieder hatte er auf mehr angespielt. Dabei war Patricia überzeugt, dass er, wenn sie nur die kleinste Andeutung fallen lassen würde, sie sofort auf seine Arme heben und ins Schlafzimmer tragen würde.
Und diese Aussicht erschreckte sie zu Tode. Sie spürte, dass er an ihr interessiert war, über die Grenzen einer reinen Freundschaft hinaus. Und mit jeder Faser ihres Körpers wünschte sie sich nichts sehnlicher. Aber – wenn sie dem Verlangen ihres Körpers folgte und sich ihm hingeben würde, würde er unweigerlich herausfinden, dass sie noch nie mit einem Mann geschlafen hatte. Und dann würde sie ihn verlieren.
Jetzt beugte Sam sich vor, bis seine Nasenspitze fast ihre Wange berührte. Er schnüffelte. „Nein, das ist kein Parfum. Das riecht nach … Schokolade. Da, das Schokoladencroissant.“ Er zeigte auf das Hörnchen, das vor ihr lag. „Isst du das noch?“
Sie schob es zu ihm hin. „Du kannst es gern haben. Ich sollte es sowieso nicht essen. Mildred meinte, wenn ich auch nur ein Gramm zunehme, werde ich nicht mehr in das Hochzeitskleid hineinpassen.“
„Mit dem Gewicht hast du doch überhaupt keine Probleme“, meinte er kauend.
„Nein, kann ich ja nicht haben – wenn du mein Hörnchen isst.“
Er wischte sich den letzten Krümel vom Mund. „Du hast wirklich nichts dagegen, heute Abend in die Oper zu gehen? Ich habe dich in den letzten Tagen jeden Abend um deinen wohlverdienten Schlaf gebracht.“
Ja, die letzte Woche war wie ein Wirbelwind vorbeigezogen. Nach Rex’ Abschiedsfeier hatte das „junge Verlobungspaar“ jede Menge Einladungen erhalten. Die Nächte waren lang gewesen, und morgens ging es wieder früh aus den Federn, um pünktlich im Büro zu sein. Außerdem waren sie so mit Arbeit eingedeckt, dass ihnen kaum Zeit blieb, um über die Tragweite ihrer Täuschung nachzudenken.
„Nein, wenn Rex dem Gouverneur einen guten Abend wünschen will, dann muss es dafür wohl einen guten Grund geben.“
„Schön. Ich möchte nämlich nicht mit jemand anderem hingehen müssen. Einmal hat Melissa mich in die Oper geschleift. Ich bin prompt eingeschlafen, und sie war richtig wütend auf mich. Also, ich hole dich dann um acht Uhr ab?“
„Ja, gut.“
Er warf ihr eine Kusshand zu und verschwand. Es dauerte eine Weile, bis Patricia klar wurde, dass Mike auf der Schwelle zu ihrem Büro stand, um die Post abzuliefern, und Sam den Kuss nur wegen Mike inszeniert hatte.
„Hallo, Patricia, Ihre Post.“ Mike betrachtete sie freundlich. „Sie sehen bedrückt aus. Sind Sie nervös, wegen der
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