Julia Collection Band 61 (German Edition)
Unterlagen über die Forschungsstation zur Hand und konnte sie immer auf dem neuesten Stand halten. Sie hatten sich nur wenige Male getroffen, und er hatte es immer als sehr unbefriedigend empfunden. Danach hatte er sich elender als zuvor gefühlt und sein Verlangen nach Annie kaum bezähmen können.
Zwei Mal hatten sie zusammen gegessen, da er den Gedanken nicht ertragen konnte, dass sie ganz allein ihre Mahlzeiten einnahm. Es war schrecklich gewesen. Sie hatten kaum miteinander gesprochen und waren beide sehr bedrückt gewesen. Außerdem trafen sie sich ab und zu, da er sich über die neueste Entwicklung auf der Station informieren wollte. Aber diese Treffen waren extrem kurz und von quälender Sachlichkeit geprägt.
Im Großen und Ganzen gelang es ihm ganz gut, Annie aus dem Weg zu gehen. Aber hin und wieder konnte er nicht anders – er schlich sich heimlich zur Station, um sie bei der Arbeit mit den Delfinen zu beobachten. Ihm selbst kam dieses Verhalten pervers vor, aber er sehnte sich so sehr nach ihr, dass er sich nicht dagegen wehren konnte.
Dass er sich von ihr fernhielt, war nur in Annies eigenem Interesse, das sagte er sich immer wieder. Er hatte sich bei ihrem Auszug aus seinem Haus geschworen, an erster Stelle ihre Interessen zu berücksichtigen, auch wenn es ihm noch so schwerfallen sollte.
„Nick?“, unterbrach seine Mutter ihn in seinen Gedanken. „Was ist mit dir? Geht es dir nicht gut? Eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, dass du dich arbeitsmäßig übernimmst und zu wenig Schlaf bekommst, denn das würde Annie nie zulassen.“
„Es geht mir gut, Mutter, wirklich. Vielleicht bin ich ein wenig müde.“ Er hatte in der letzten Zeit sehr schlecht geschlafen. Immer hatte er an Annie denken müssen. Er fragte sich ständig, was sie gerade machte, wie es ihr ging und ob sie sich auch nach ihm sehnte.
„Annie hat viel auf der Delfin-Station zu tun“, sagte er, ohne nachzudenken. „Seit dem Hurrikan haben wir uns nicht oft gesehen.“
Natürlich war seine Mutter mit dieser Entwicklung überhaupt nicht einverstanden. Er müsse unbedingt mit Annie in Kontakt bleiben und ihren Anweisungen folgen, meinte sie. Annie wisse, was gut für ihn sei.
Es hatte ihm gerade noch gefehlt, dass seine Mutter ihm predigte, was für ein wunderbarer Mensch Annie war. Als ob er das nicht selbst am besten wüsste. Aber deshalb hatte er noch lange nicht das Recht, nur mit ihr zusammen zu sein, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Das konnte er mit seinen Vorstellungen von ehrenhaftem Verhalten keinesfalls vereinbaren.
„Weshalb rufst du eigentlich zu dieser ungewöhnlichen Zeit an, Mutter?“, fragte er gereizt.
„Ich wollte dir nur sagen, dass ich auf dem Weg zu euch bin. Ich mache mir Sorgen um dich, mein Sohn. Der Pilot meint, wir müssten kurz nach Mittag auf der Insel landen, und ich wäre dir dankbar, wenn du mich abholtest.“
„Mutter, du brauchst dir wirklich keine …“
„Ach was“, unterbrach sie ihn kurz. „Ich muss dich sehen.“
„Aber Annie wohnt im Haus am Pool. Da ist für dich kein Platz mehr.“
„Ist denn das Dach in ihrem Badezimmer noch nicht repariert?“
„Nein, wir hatten dringendere Aufgaben.“ Nick hatte sich vorgenommen, Annies Suite als letzte wieder herrichten zu lassen. Denn er traute sich nicht zu, sich beherrschen zu können, wenn sie wieder unter einem Dach schliefen.
„Egal, ich sehe da keine Schwierigkeiten.“ Seine Mutter blieb unbeeindruckt. „Annie und ich werden wunderbar miteinander auskommen. Ich werde mich wie in meine Jugend zurückversetzt fühlen, wenn ich mit meiner Schwester im Sommerlager war und auf engem Raum lebte.“
„Aber …“
„Ich komme und damit basta! Bis bald, mein Sohn.“
Sie beendete das Gespräch, und Nick legte leise fluchend den Hörer auf.
„Wie geht denn der Wiederaufbau voran, dervla ?“
Annie seufzte leise. Einerseits freute sie sich über den Anruf, andererseits fürchtete sie sich vor den üblichen Tiraden ihrer Mutter.
Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Seit der Hurrikan abgezogen war, herrschte eine brütende Hitze mit Temperaturen von weit über dreißig Grad und drückende Feuchtigkeit. Sie konnte kaum atmen, sie schlief schlecht und war ständig erschöpft. Ganz sicher hatte das auch mit ihrem depressiven Gemütszustand zu tun, da machte sie sich nichts vor.
Sie hatte sich vorgenommen, Nick möglichst aus dem Weg zu gehen und ihn nur zu treffen, wenn es unbedingt nötig war. In ihrer
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