Julia Collection Band 63
Mutter des Jungen gekannt hatte. „Ich glaube, es gibt kaum einen einsameren Rancher in Montana als ihn.“
Grace Whitlow, pensionierte Hauswirtschaftslehrerin, nahm den Stich mit ihrem Kreuzass und legte ein niedriges Pik ab. „Der arme Owen. Er ist zwar nicht der schönste Mann der Stadt, aber die Kinder brauchen wieder eine Mutter.“
„Aber nicht irgendeine“, warnte Ella. „Für die Familie Chase kommt nur die beste infrage. Louisa und ich sind mit seiner Großmutter aufgewachsen.“
„Wir sind mit allen älteren Bürgern in Montana aufgewachsen“, murrte Louisa. „Das heißt aber nicht, dass wir für alle Enkel Frauen suchen müssen.“
„Aber darum geht es doch bei diesem Festival“, meinte Missy und legte eine Karte ab. „Entschuldigung, die Dame war mein einziges Pik.“
„Macht nichts.“ Ella brauchte die zusätzlichen zwölf Punkte nicht, also legte auch sie ein Pik mit niedriger Punktzahl ab. Louisa verzog den Mund. Sie war nur siebeneinhalb Minuten jünger als Ella, aber wenn sie ihren Lippenstift vergaß, wirkte sie siebeneinhalb Jahre älter. Und sie war rundlich, während Ella hager war, und die Unähnlichkeit der Zwillinge hörte nicht bei körperlichen Merkmalen auf. Louisa hatte die Sanftheit ihrer Mutter geerbt, während Ella ihrem Vater ähnelte, einem großen Mann, der drei Geschäfte in der Stadt geleitet hatte, ehe er vor sechzehn Jahren starb. „Haben wir denn jemanden in Aussicht?“
„Wie wäre es mit der jungen Frau, die die Bäckerei übernommen hat?“, fragte Grace.
„Und kochen kann sie auch“, fügte Missy hinzu.
Ella schüttelte den Kopf. „Die Bäckerin hat selbst zwei kleine Mädchen und dazu noch den Laden. Bei so viel Verantwortung weiß ich nicht, ob sie die Richtige für Owen ist.“
„Wie wäre es, wenn wir eine Rothaarige aussuchen?“, schlug Missy vor. „Das Baby hat rote Haare. Es wäre doch nett, wenn ihre neue Mutter auch rote Haare hätte.“
„Eine Rothaarige“, überlegte Ella laut. „Gibt es denn eine alleinstehende Rothaarige in der Stadt? Vielleicht ist es wichtiger, dass sie Kinder mag und häuslich ist.“
„Jemand wie Maggie Moore, nur jünger“, sagte Grace.
Missy seufzte. „Und was machen wir mit Maggie?“
Ella wollte nicht, dass sie abschweiften. „Zuerst braucht Owen Chase eine Frau. Wenn es noch keine passende Kandidatin gibt, dann vielleicht später. Wir können ja am Freitag schauen, wenn wir eine nette Gruppe zur Auswahl haben.“
„Das Essen ist für mich das Schönste am ganzen Festival.“
„Für mich auch“, meinte Grace. „Obwohl ich auch den Tanz mag. Ich habe mir ein neues Kleid gekauft.“
„Alles nur Blödsinn“, meinte Louisa. „Genau das ist es.“
„Ist was?“
„Diese Kuppelei. Das Festival. Eben alles.“ Sie starrte in ihre Karten und sah deshalb nicht die erschrockenen Blicke ihrer Freundinnen und ihrer Zwillingsschwester.
„Haben wir aber heute eine schöne Stimmung“, meinte Ella.
„Was?“
Missy beugte sich vor. „Kriegst du wieder deine Kopfschmerzen, Lou? Wenn du dich lieber hinlegen willst, anstatt Karten zu spielen, ist uns das recht.“
Lou legte ihre Karten verdeckt auf den Tisch und sah ihre Zwillingsschwester an. „Irgendwas stimmt nicht dieses Jahr.“
„Was stimmt nicht? Wovon redest du?“ Bei Ella kam Panik auf. War das Festival ohne ihr Wissen abgesagt worden? Oder war ein Schneesturm angekündigt?
„Egal. Es ist nur so ein Gefühl.“ Lou presste die Lippen zusammen.
Ella wandte sich an Grace. „Louisa hat heute schon den ganzen Morgen schlechte Laune. Ihr Lieblingstee ist uns nämlich ausgegangen.“
„Ich habe ihn schon vor Wochen per Katalog bestellt. Er sollte längst da sein.“
„Die Jasmin-Mischung?“, fragte Missy.
Ella seufzte. „Trinkt sie denn überhaupt was anderes?“
„Von Kaffee bekomme ich Kopfschmerzen.“ Louisa nahm einen Schluck Tee. „Und dieser Kräutertee schmeckt nach gar nichts.“
Ella fand dieses nachmittägliche Treffen nicht so unterhaltsam wie sonst. Vielleicht lag es daran, dass es so ein dunkler Tag war. Oder an der kühlen Luft als Vorboten des Winters. Vielleicht war es auch der Schmerz in ihren Knochen, der Ella sich nach ihrem Bett sehnen ließ – und nach einem Whiskey. Sie sah auf die Uhr. „Gegen vier wird Owen da sein. Er kommt zum Tee.“
Louisa seufzte. „Glaubst du, er bringt das Kind mit?“
„Was soll er sonst mit der Kleinen machen?“
„Ich hoffe, er bringt sie mit“, sagte Louisa, denn
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