Julia Exklusiv 0180
auch nicht vorhatte, in absehbarer Zukunft wieder zu heiraten oder gar eine Familie zu gründen. Was sollte er also mit einem Schloss, das an die fünfzig Zimmer hatte?
Wochenlang hatte er hin und her überlegt, was er mit Ratcliffe Hall anfangen sollte, bis er schließlich davon hörte, dass alte Schlösser und Villen bevorzugte Drehorte für Film und Fernsehen waren. Er hatte sofort verschiedene Agenturen angerufen, und man hatte ihm eine Fernsehgesellschaft vermittelt, die im vorangegangenen Monat Shakespeares Komödie der Irrungen in Ratcliffe Hall gedreht hatte.
Obwohl man ihm für nur zwei Wochen eine unverschämt hohe Miete bezahlt hatte, war das natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen, aber immerhin ein Anfang. Und seit gestern beherbergte er eine amerikanische Produktionsgesellschaft, die hier sechs Wochen lang drehen wollte und gleich das ganze Gebäude zu einem wirklich fantastischen Preis gemietet hatte. Wenn das so weiterging, konnte er womöglich die Sanierung Zug um Zug von den laufenden Mieteinnahmen bestreiten.
Außerdem hatte er die Leute von der Steuerbehörde dazu überredet, zwei alte Gemälde in Zahlung zu nehmen. Es waren die beiden letzten aus einer ehemals berühmten Sammlung. Trotzdem trauerte er ihnen nicht nach, denn er hatte für martialische Schlachtszenen wenig übrig.
Alles in allem ist es doch gar nicht so schlecht gelaufen, versuchte Rob sich aufzumuntern. Immerhin …
Das Läuten des Telefons störte ihn in seinen Überlegungen. Er ging zum Schreibtisch und nahm den Hörer ab.
Als er die hohe Stimme seiner Exfrau erkannte, verzog er das Gesicht. Martina rief immer nur an, wenn sie etwas von ihm wollte, und er hoffte, dass es nicht wieder Probleme mit seiner Tochter Emily gab.
Aus heutiger Sicht gesehen war seine Ehe von Beginn an zum Scheitern verurteilt gewesen. Er war damals noch recht jung gewesen und hatte sich vom Äußeren des langbeinigen, schönen Models blenden lassen, dessen Foto die Titelbilder zahlreicher Zeitschriften zierte. Schon bald nach der Hochzeit war ihm jedoch aufgegangen, wie wenig sie gemeinsam hatten.
Auch Martina war enttäuscht, als sie sich mit einem Mann verheiratet fand, der seinen Beruf viel zu ernst nahm und sich nach ihrer Ansicht als langweiliger Workaholic herausstellte. Ihr behagte das zurückgezogene Leben nicht, da sie Medienrummel und öffentliche Auftritte liebte, und so verließ sie ihn schließlich und tat sich mit einem aufstrebenden Popstar zusammen, der etliche Jahre jünger war als sie. Leider nahm sie auch die kleine Emily mit. Rob hatte damals seine kleine Tochter schmerzlich vermisst und sich nur ihretwegen um ein freundschaftliches Verhältnis zu seiner Exfrau und deren neuem Lebensgefährten bemüht.
Letzterer hieß Joe Tucker, war Sänger der Popgruppe The Raving Monsters und zu Robs Überraschung ein recht sympathischer und vernünftiger junger Mann, der klug genug war, Martina nicht gleich zu heiraten.
In den ersten Jahren lief alles recht gut, aber in letzter Zeit hatten die beiden erhebliche Schwierigkeiten mit Emily. Auch Rob begann sich allmählich ernsthaft Sorgen um seine Tochter zu machen. Vor allem deshalb, weil sie in dieser rebellischen Phase wenig Halt und Verständnis bei ihrer oberflächlichen Mutter fand.
„Verstehe“, unterbrach er den Redefluss seiner Exfrau. „Sag Emily, dass ich mich für ihr Benehmen schäme. Was hat sie sich nur dabei gedacht, ihrer Lehrerin ein solches Schimpfwort an den Kopf zu werfen? Für ein solches Verhalten gibt es keine Entschuldigung. Sie kann froh sein, dass sie nur für einige Wochen vom Unterricht suspendiert wurde und nicht von der Schule geflogen ist.“
Er hörte eine Weile mit grimmiger Miene zu. „Ja, natürlich kann Emily bei mir wohnen, während du verreist bist. Ich würde mich sogar sehr darüber freuen. Zudem kann sie sich etwas nützlich machen und mir die Filmleute vom Hals halten.“
Die letzte Bemerkung hätte ich mir besser verkneifen sollen, sagte er sich Minuten später, als er den Hörer auflegte. Bei dem Wort „Filmleute“ war Martina sofort hellhörig geworden, und es hatte ihn allerhand Überzeugungsarbeit gekostet, ihr auf schonende Weise beizubringen, dass seine Tochter hier zwar jederzeit herzlich willkommen sei, nicht aber seine Exfrau.
Im Übrigen hatte ihn Martinas zuckersüßer Ton stutzig gemacht, und er fragte sich, was sie damit bezweckt hatte. Wäre der Gedanke nicht so grotesk, hätte man beinahe annehmen
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