Julia Exklusiv Band 0194
dicht an sich gezogen, und sie war erschrocken über sich selbst, als sie entdeckte, dass sie sich an ihn schmiegte. Als er sprach, war sein Mund dicht an ihrem Ohr. Sie war hilflos. Das Gefühl, das in ihr aufkam, sollte sie eigentlich bekämpften, doch sie konnte es nicht.
Da trafen sie Charmes Blicke. Anita bemühte sich, so zu tun, als hätte sie keine Ahnung, wer ihr Tanzpartner war. Die Schwester stand mit ihrem Gast aus Cornwall an der Tür. Talgarth hatte zwar wirklich eine Maske umgenommen, doch er stand da wie ein Felsen, in seinem korrekten, schwarzen Anzug.
Er blickte ebenfalls zu Anita. Als er erstaunt den Kopf hob, wusste sie, dass er ihren Partner erkannt hatte. Er hatte einen Seemannsblick, verwirrend noch durch die Augenmaske. Er war es wohl gewohnt, schneller als andere alles zu durchschauen. Was sah er in diesem Augenblick, fragte sich Anita. Ein albernes, kleines Mädchen, das gerade dabei war, sich in einen Mann zu verlieben, den sie doch niemals halten konnte?
„Wollen wir aus dieser Masse Mensch ausbrechen?“, raunte Tarquin ihr ins Ohr.
Als sie unmerklich nickte, führte er sie tanzend durch die Menge bis zur Terrassentür. Schnell gingen sie über die Terrasse und ein Stückchen in den Garten. Er hatte sie an die Hand genommen. Unter einem blühenden Fliederbaum blieb er stehen.
„Eine herrliche Nacht, kleine Nymphe“, rief er und atmete tief. „Haben Sie sich jemals gewünscht, auf einem Mondstrahl zu schaukeln? Dahin gehören Märchengeschöpfe wie Sie. Weit über der Menge der Menschen schwingen sie hin und her, ein wenig traurig und sehr lieblich.“
„Sie sind sehr freundlich, Mister Powers.“
„Warum so förmlich?“ Seine Augen lachten. „Nennen Sie mich Quin, so werde ich von meinen Freunden gerufen.“
Die blonde Frau hatte ihn Quin genannt, und dann erinnerte sich Anita, was er von Ann Destry gesagt hatte. Sie war mit ihrem Verlobten auf dem Fest. Obwohl sie so hübsch war und Tarquins Bühnenpartnerin, waren sie im Privatleben nur Freunde.
„Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Sie Tarquin nenne? Ich finde den Namen schön.“
„Nennen Sie mich, wie Sie wollen“, erwiderte Tarquin amüsiert. „Bei der Bühne gibt es sowieso viel zu viele Kosenamen. Ich mag das nicht, und deshalb hält man mich auch manchmal für gefühllos.“
„Warum denn das?“ Anita konnte sich nicht vorstellen, dass ihn jemand für gefühllos halten konnte.
„Aus verschiedenen Gründen.“ Sein Mund verzog sich sarkastisch. „Romantische Schauspieler müssen auch gut flirten können, auf der Bühne wie im Leben. Jedenfalls nimmt man das allgemein an.“
„Flirten Sie gern?“
„Nein, Anita.“ Das klang ernst. Tarquin hob die Hand und löste seine Maske. Er sah ihr tief in die Augen.
„Kommen Sie, verschwinden wir aus diesem überfüllten Garten“, schlug er vor und nahm wieder Anitas Hand. „Wohin wollen wir flüchten?“
„Wir nehmen den Hinterausgang. Es sind nur fünf Minuten bis zum Fluss.“
„Also los!“
„Können wir so verkleidet gehen?“ Anita blickte lachend an sich hinunter auf ihre goldfarbenen, geschnürten Sandalen.
„Natürlich, warum denn nicht?“
Tarquin zog sie mit sich, die bunten Lichter, die Musik, das Gelächter blieben hinter ihnen. Sie liefen schnell, als hätten sie nur wenig Zeit, einmal allein zu sein. Es war eine kurze gemeinsame Pause zwischen zwei völlig verschiedenen Leben.
„Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Sie entführe?“ Tarquin blickte auf sie hinunter.
Anita schüttelte den Kopf. Ganz kurz dachte sie an jenen anderen Mann, dem sie es zugetraut hatte, mit einem Mädchen zu fliehen. Mit anderen, nicht mit ihr. Und jetzt, mitten in der Nacht, rannte sie mit wehenden Haaren an Tarquins Hand quer über die Straße zum silbrig glänzenden Fluss.
Ein Schwan glitt vorbei wie ein Geist, ein rastloses, einsames Tier, das nicht müde genug war.
Anita erschauerte, weniger weil ihr kalt war, sondern vor Aufregung. Tarquin löste seinen Umhang und legte ihn ihr um die Schultern. Sie wagte es nicht, zu ihm aufzublicken. Die Berührung seiner Hände war wie eine Liebkosung. Es war verrückt zu träumen, sie konnte ihm mehr bedeuten als eine angenehme Partnerin, mit der er über Schwäne und alte Schlösser sprechen konnte.
Sie wanderten am Ufer des Flusses entlang, auf der anderen Seite stand dunkel und still das Theater.
„Wie fühlt man sich“, fragte Anita, „wenn man die Bühne betritt, und vor einem im Dunkeln sitzen
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