Julia Exklusiv Band 0194
Einen anderen Namen habe ich von ihm nicht gekannt. Er arbeitete in jenem Jahr wie die anderen französischen Studenten als Kellner im Ravenswood-Hotel.“
„Ja, Luc hat darauf bestanden. Das gehörte für ihn sozusagen zur Ausbildung. Und Oliver war dort bis zum Ende jenes Septembers, an den Sie sich nicht mehr erinnern können.“
Portia hatte inzwischen den Eindruck, dass sie aus zahllosen Puzzlestücken ihre Erinnerung zurückgewann. Aber was sich ihr zeigte, gefiel ihr ganz und gar nicht. „Wo ist Oliver jetzt?“
„Mein geliebter Sohn ist tot“, sagte Madame Brissac aggressiv. „Und Sie sind schuld daran.“
Portia setzte sich ruckartig im Bett auf und sah ihre Gastgeberin erschrocken an.
„Er verunglückte auf dem Heimweg von einer Party, weil er zu viel getrunken hatte. Und das Ganze nur aus Liebeskummer.“
„Aber Madame, ich habe Ihren Sohn doch kaum gekannt.“ Sie fuhr sich nervös durchs Haar. „Damals ging ich manchmal in der kleinen Bucht schwimmen, die zum Turret House gehört. Da segelte auch Olly manchmal. Aber stets war einer der anderen Kellner dabei. Wir haben uns nur flüchtig gekannt, mehr war da nicht.“
„Vielleicht für Sie nicht, aber für Oliver mit Sicherheit. Als Sie nämlich so plötzlich verschwanden, war er untröstlich. Er hat sich oben in der Dachkammer stundenlang aufgehalten, um sich Ihr Bild anzusehen.“
„Armer Junge, aber es war wirklich nichts zwischen uns. Schließlich war er einige Jahre jünger als ich. Es tut mir leid, dass er tot ist.“
„Warum haben Sie ihm denn nicht gesagt, dass Sie nichts für ihn empfinden? Zu Hause hat er erzählt, wie verliebt er sei und dass sie heiraten wollten. Ich sollte Sie unbedingt wiederfinden.“
„Aber Madame Brissac, für mich war Ihr Sohn doch noch wie ein Schuljunge. Es war überhaupt nichts zwischen uns.“
„Ich kann das nicht glauben, jetzt, nachdem ich Jahre mit Gram zugebracht habe und nichts sehnlichster wünschte, als Sie zu finden und Ihnen das Ende der Geschichte zu erzählen und was Sie ihm angetan haben.“
„Aber ich habe nichts gemacht, Madame“, wehrte sich Portia. „Ich hatte keine Ahnung, dass er etwas für mich empfand. Für mich war er nur ein Junge.“
„Das Leben ist schon merkwürdig, oder? Das Schicksal führte Luc direkt zu Ihnen, als er von Ihrer Firma sein Apartment in London kaufte.“
„Sie meinen, dass Luc mich bereits kannte, bevor wir uns trafen?“
„Aber natürlich. Und als er Turret House erwarb, habe ich darauf gedrängt, dass er Geschäftliches und Angenehmes miteinander verband, damit Sie sich in ihn verliebten.“
„Und wie sollte es dann weitergehen?“, fragte Portia verärgert.
Madame erschien in diesem Augenblick einigermaßen unsicher. „Nun, er sollte Sie danach genauso fallen lassen, wie Sie Oliver. Das war meine Revanche.“
Portia begriff allmählich, „Ach, deshalb wollte Luc, dass ich aus meiner Vergangenheit und von Oliver erzählte. Aber das funktionierte nicht, denn ich kannte seinen Bruder doch gar nicht.“
Madame Brissac schlug verzweifelt die Hände vor das Gesicht.
„Wenn ich doch nur etwas geahnt hätte. Wie viel Ärger hätte ich uns allen da ersparen können. Sagen Sie, wäre es sehr unhöflich von mir, Sie zu bitten, mich eine Weile allein zu lassen?“
„Aber nein.“ Regine Brissac stand auf, um zu gehen. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Wenn Luc kommt, schicke ich ihn zu Ihnen. Und falls ich mich in allem getäuscht habe, dann bitte ich nun um Verzeihung.“
Portia begab sich ins Bad und erfrischte sich mit kaltem Wasser. Am liebsten hätte sie sich jetzt aufs Bett geworfen und laut geweint. Aber als sie auf die Uhr sah, stellte sie fest, dass es erst kurz nach neun war. Wie viel war in dieser kurzen Zeit geschehen?
Dann gab sie sich einen Ruck und ging nach unten. Wie schön war es, das Gepäck dort zu sehen, denn sie war fest entschlossen, noch an diesem Tag nach England zurückzukehren.
Portia suchte nach Madame Brissac, konnte sie aber nirgends finden. Deshalb schrieb sie eine Nachricht, die sie auf einem der Tische in der Eingangshalle hinterlegte.
Das Gepäck war rasch im Auto verstaut, und wenig später war sie auf dem Weg nach St. Malo zur Fähre. Und erst als sie sich mitten auf dem Englischen Kanal befand, konnte sie sich endlich etwas entspannen. Bis zum Schluss hatte sie nämlich befürchtet, Luc könnte auftauchen und ihre Abfahrt verhindern.
Sie brauchte jetzt erst einmal Zeit, um alles zu
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