Julia Exklusiv Band 0194
Anita.
„Setzen Sie sich bitte. Medevil wird uns den Rum-Mix zubereiten. Ich spreche schnell mit meiner Hausdame. Sie werden Jancey ein wenig mürrisch finden, doch sie meint es gut.“
Talgarth ging quer durch die Halle. Anita setzte sich an das wärmende Feuer. An solchen Abenden, wo sich der Wind mit der Feuchte des Moors mischte, war es gut, hinter dicken Mauern am Kamin zu sitzen. Das brennende Holz knackte.
„Ist das nicht ein faszinierendes Haus?“, fragte Kim leise.
„Als ich letztes Jahr mit Papa hier war, hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal hier wohnen würde.“
„Nur so lange, bis euer Haus wieder instand gesetzt ist“, erinnerte Anita.
„Das dauert mindestens eine Woche.“ Kim streckte ihre Füße zum Feuer. „Er hat Anita zu dir gesagt, und er sagte es in einem ganz besonderen Ton. Warum magst du ihn nicht, er ist so freundlich zu uns. Hast du dir vorgenommen, dich auf Biegen oder Brechen gegen ihn zu stellen? Erwachsene sind manchmal so merkwürdig.“
„Es gibt Menschen, an die man sich erst gewöhnen muss, Kim, andere wieder hat man sofort gern.“
Anita lehnte sich vor, dem Feuer entgegen. Das Haar fiel ihr ins Gesicht.
„In Avendon wirkte er arrogant und zynisch, wie alle Freunde meiner Stiefschwester. Hier in St. Avrell ist er ganz anders, und ich kann noch nicht erkennen, welcher von beiden der wahre Eduard Talgarth ist“, erklärte Anita.
„Nun“, Kim blickte weise, „ich würde sagen, hier in Cornwall ist er bestimmt mehr er selbst als anderswo.“
„Ein Mann, der um die ganze Welt gereist ist, ist nicht leicht einzuordnen.“
Anita blickte nachdenklich vor sich hin. Er war so voller Spannkraft, war so elementar, darin lag seine Faszination und auch seine Gefährlichkeit.
Sie konnte sich nicht vorstellen, in seiner Gegenwart jemals ruhig zu sein. Noch nie hatte sie einen so dominierenden Mann getroffen. Er wühlte sie auf.
Medevil kam mit einem Tablett in die Halle, auf dem zwei dampfende hohe Gläser standen. Es duftete nach Rum, Gewürzen und Zitrone,
„Das vertreibt jede Erkältung“, grinste er. „Rümpfen Sie nicht die Nase vor einem guten Rum, Miss Kim. Das ist ein Zaubertrank von meiner Insel. Er erhält gesund, wenn Sie ihn bis auf den letzten Tropfen austrinken.“
Anita trank vorsichtig in kleinen Schlucken.
„Haben Sie keine Sehnsucht nach Ihrer sonnigen Insel, wo das Zuckerrohr wächst und die Gewürze durften?“
Medevil bekam sehnsüchtige Augen, doch dann schüttelte er den Kopf.
„Vielleicht wächst hier im Moor kein Zuckerrohr“, meinte er, „doch die See schlägt wie eine große Trommel unter Medevils Fenster. Ich bin glücklich hier für meine nächsten fünf Leben.“
„Fünf, Medevil?“, lachte Anita.
„Zwei habe ich schon verloren, Missie. Eines in einem Kampf auf dem Schiff. Mein Chef fischte mich aus dem Kampfgetümmel heraus mit einem Messer in den Rippen. Er zog es heraus und reinigte die Wunde mit Whisky. Medevil schrie so mörderisch, dass er wieder zum Leben erwachte.“
Der braune Mann von der Zuckerrohr-Insel zeigte seine weißen Zähne.
„Dann versuchte mich ein Tigerhai zu verspeisen. Der Kapitän bekämpfte das Ungeheuer, riss mich an die Wasseroberfläche und brachte mich zurück an Bord. Ohne meinen Chef bin ich niemals sicher. Nein, keine Sehnsucht nach meiner Insel, wenn ich bei meinem Kapitän sein kann.“
Eine wunderbare Treue lag in seinen einfachen Worten. Anita war bewegt, obwohl sie selbst vor diesem Mann, den alle so verehrten, davonlaufen wollte.
In diesem Augenblick kam Eduard mit seiner Haushälterin zurück. Jancey geleitete Anita und Kim nach oben und zeigte ihnen ihre Zimmer. Bald hatten sie heiß gebadet und waren in die großen warmen Flanellhemden geschlüpft, die Jancey ihnen gebracht hatte. Kim fand ihr Bett und das Zimmer zu groß und hatte Angst, dass in den alten Möbeln Mäuse sein könnten.
„Lass mich bei dir schlafen, Anita“, bat sie.
„Also spring hinein.“ Sie musste sich ein Lachen verkneifen. Auch ihr Bett war riesig mit hohen gedrechselten Pfosten.
Jancey kam mit einem Tablett. Sie hatte ein Abendessen hergerichtet.
„Findest du dein Zimmer nicht schön?“, fragte sie Kim.
„Es – es ist so groß und dunkel. Ich würde immer an den Schlossgeist denken müssen.“
„Deswegen brauchst du nicht nervös zu sein. Der Herr schläft in den Räumen, die der Geist bevorzugt. Es ist der Turm über seinem Schlafzimmer, den der Ruhelose nachts besucht.“
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