Julia Exklusiv Band 0194
sehen.
„He“, japste Kim und schüttelte ihr nasses Haar, „wir wären durchgeweicht und zu Boden gezwungen worden. Das ist ja wie unter einem Wasserfall. Hörst du, wie es auf das Dach trommelt?“
Anita blickte sich in dem Raum um. Stufen führten zu einem zweiten gewölbten Raum, wo wohl vor vielen Jahren zwischen rotierenden Mühlsteinen das Korn gemahlen worden war. Es raschelte in einer entfernten Ecke. Sie versuchte, nicht an Ratten, Mäuse und Spinnen zu denken. Hier war es jedenfalls besser, als dem Unwetter schutzlos ausgeliefert zu sein.
Moor und Himmel schienen ineinander überzugehen. Es donnerte über ihnen auf das Dach, und Bäche und Flüsse in der Nähe schienen gurgelnd über die Ufer zu treten.
Es war furchterregend. Der Regen schien weder nachlassen noch aufhören zu wollen. Kim und Anita setzten sich eng zusammengekauert auf eine alte Holzbank an der Wand. Wenn es nur kein Gewitter gibt, dachte Anita. Seit das in Avendon passiert war, hatte sie Angst davor. Sie fror plötzlich.
Kim sah Anitas blasses Gesicht. Sie legte den Arm um sie.
„Mach dir keine Sorgen, es wird schon nichts passieren“, tröstete sie. „Hör doch, ich glaube, es lässt schon etwas nach.“
Eine Viertelstunde regnete es noch in Strömen, dann hörte der Regen ebenso schnell auf, wie er gekommen war. Es wurde heller, sie konnten den Himmel wieder sehen. Rings um sie her war es ganz still, nur die Bäche gurgelten.
Anita atmete tief die würzige Luft ein.
„Wir sollten schnell verschwinden, bevor es noch einmal losgeht“, rief sie, und beide wanderten los.
Erde und Himmel waren wie reingewaschen. Alles schimmerte silbern und durchsichtig. Die Landschaft wirkte sauber und frisch. Doch beide Mädchen waren nass bis zu den Knien, als sie die Klippen erreichten. Sie freuten sich auf das Haus, das Umkleiden, ein Bad und einen heißen, süßen Tee.
Sie hasteten voran und waren bald an dem kleinen Pfad, der zum Haus hinunterführte. Wie versteinert blieben sie stehen. Der Pfad war von dickflüssigem Erdreich verschüttet. Gesteinsbrocken waren herabgeschleudert worden und versperrten den Zugang zum Haus. Anita und Kim schrien gleichzeitig auf und starrten zum Cottage hinunter, das auf einer Seite wie eingedrückt aussah, begraben von Erdreich und Felsstücken.
„Heiliger Moses“, flüsterte Kim.
Anita wich das Blut aus dem Gesicht. Hätten sie beide vor dem Unwetter das Haus erreicht und wären bei dem schweren Regen darin gewesen, mit Sicherheit wären sie unter dem halbeingefallenen Dach begraben worden.
„Mein Gott, dieser Schaden!“
Kim wollte hinunterklettern, doch Anita hielt sie zurück.
„Nein, Kleines, es hat keinen Zweck. Der Boden ist zu schlüpfrig. Sieh mal, da kommt jemand, er will vielleicht zu uns.“
Sie warteten, bis der dunkelhaarige Mann vom Wagen kletterte.
„Es ist Medevil“, Kim winkte Eduard Talgarths Diener und Faktotum zu. Er grinste die beiden jungen Damen fröhlich an. Ihn schien das Unglück nicht zu berühren.
„Mein Chef sagt, ich soll die jungen Ladies zum Tee bringen. Sieht so aus, als müssten Sie im Château übernachten. Das kleine Haus da unten, Miss, muss erst wieder ausgegraben werden. Ist nicht gut für Sie jetzt.“
„Was ist mit den Leuten, die noch tiefer an den Klippen wohnen?“, fragte Anita besorgt. „Sind alle in Sicherheit?“
„Alles in Ordnung, Miss, ich bin vorbeigefahren.“ Seine weißen Zähne blitzten. „Der Fels hat nur das eine Haus getroffen. Ich habe nachgesehen, ob junge Ladies noch im Haus sind, habe sie Gott sei Dank nicht gefunden. Da war ich froh. Jetzt bringe ich Sie zu meinem Chef. Steigen Sie ein.“
„Unsere Sachen sind im Haus“, sagte Anita. „Die Kleider, alle persönlichen Dinge. Wir brauchen sie und müssen uns umziehen.“
„Mister Jem wird schon herausholen, was er kann, und zum Château bringen. Sie müssen jetzt erst schnell mitkommen. Sie zittern vor Kälte. Mein Chef wird böse sein mit Medevil, wenn ich Sie nicht sofort zum Château bringe. Kommen Sie, vite, vite. Schnell, der Jagdwagen wartet auf Sie.“
„Ja, komm, Anita, wir fahren mit nach St. Avrell.“ Kim nahm Anitas Arm und zog sie von dem verschütteten Pfad fort. „Mister Talgarth wird sich um alles kümmern, wenn er hört, was passiert ist. Er wird alles überwachen.“
„Ist das aufregend“, seufzte Kim. Sie hatte sich von ihrem Schreck schon wieder erholt, und ihre Augen strahlten. „Wir werden Gäste im Château sein, denk doch nur,
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