Julia Exklusiv Band 0194
von jetzt an Eduard nennen, lasse ich Sie frei.“
„Das ist kindisch.“
„Und Sie sind albern. Sie behandeln mich, als wäre es gefährlich, mich zu kennen. Dabei bin ich ein ganz normaler Mann von freundlicher Gemütsart.“
„Normal, sagten Sie?“
„Für einen Mann aus Cornwall mit einem Schuss französischem Blut durchaus. Ich gebe zu, wir Talgarths sehen ein bisschen düster und wie Piraten aus. Das darf Sie nicht verwirren.“
Die Zähne blitzten bei seinem spöttischen Lächeln.
„Ich fange an, neugierig zu werden, welche Wirkung ich auf Sie habe, Anita. Vielleicht mögen Sie mich sogar insgeheim?“
„Ich versichere Ihnen, ich mag Sie nicht.“
„Sieh an, sieh an, wie sicher Sie schon wieder sind, dabei kann sich alles schnell ändern. Soll ich Ihnen zeigen, wie nett ich sein kann, wenn ich will?“
„Es wäre reine Zeitverschwendung!“
„Da ist ein nervöses Beben in Ihrer Stimme, Anita. Und so große angstvolle Augen. Haben Sie beschlossen, sich nie wieder zu verlieben, weil Sie sich beim ersten Versuch die Flügel verbrannt haben? Das passiert uns allen einmal.“
„Wie es Ihnen mit Charme passiert ist?“
„Mit Ihrer schönen Stiefschwester?“ Seine Arme umfassten sie fester. „Charme wäre die perfekte Schlossherrin gewesen, meinen Sie? Die vielen alten Räume wären unter ihren geschmackvollen Händen aufgeblüht und in kurzer Zeit zur gesellschaftlichen Kulisse geworden.“ Talgarth lachte.
„Die Bälle und Feste aus Großmamas Zeiten hätten sich wiederholt, und alle hätten mir zu dieser Braut bestimmt gratuliert. Wie schade, dass eine so romantische Geschichte nicht Wirklichkeit werden konnte. Hätten Sie mich als Schwager wenigstens gern gemocht, Anita?“
„Da ich die St. Cyrs verlassen habe, hätte es mir nichts bedeutet.“
Seine Arme lagen fest um Anita. Sie spürte jeden seiner Muskeln. Es war entsetzlich beunruhigend und verwirrend.
„Sie werden nicht zur Familie zurückkehren?“
„Nie mehr.“
„Wohin gehen Sie, wenn der Sommer vorbei ist?“
„Nach London.“
Er blickte auf sie hinunter. Seine Augen blitzten auf.
„Hugh Strathern lebt dort.“
„Ja, Mister Talgarth“, bestätigte Anita ungerührt.
„In diesem Fall werde ich Sie lieber zu seiner Tochter gehen lassen, bevor Sie in meinen Armen hysterisch werden. Ach, da ist noch etwas.“
„Ich wusste doch, dass Sie noch Bedingungen stellen würden“, erwiderte Anita spöttisch.
Ein Lachen glitt über sein Gesicht. „Bitte, fühlen Sie sich im Schloss wie zu Hause. Ich bin sicher, Sie haben genügend Phantasie, um an seiner romantischen Geschichte Spaß zu haben. Wenn Sie Lust haben, sehen Sie sich alles an, und lassen Sie sich durch das Missgeschick mit Stratherns Haus die Freude an den Ferien nicht verderben.“
Endlich ließ er sie los, und sie gingen beide langsam zum Schloss. Es war, als betrete man eine andere Welt.
Die Wohnhalle strahlte eine leicht verblasste Eleganz aus. Schöne alte Kandelaber waren an den Wänden befestigt und verbreiteten warmes Licht. An der Wand gegenüber der Eingangstür brannte ein mächtiger Kamin mit kunstvoller Marmoreinfassung. Rechts und links führte je eine gewundene Treppe auf eine Galerie.
Der Boden war ganz bedeckt mit kostbaren echten Teppichen in leuchtenden, satten Farben. Stehlampen mit Seidenschirmen standen geschmackvoll angeordnet zwischen den Polstermöbeln. Herrliche Ölgemälde hingen an den Wänden. Die Stühle aus verschiedenen Epochen musste Eduard von seinen Reisen mitgebracht haben. Jeder einzelne war ein seltenes Stück.
Ein Empire-Tisch mit Marmorplatte stand voller Flaschen und Gläser und diente wohl als Bartisch. Der obere Teil des Kamins reichte hoch bis zur Galerie. In Stein gehauene Figuren trugen den Sims. In einem der großen Sessel hockte Kim mit hochgezogenen Füßen und wärmte sich am Feuer.
Sie lächelte dem Gastgeber entgegen.
„Ich fühle mich wie ein Burgfräulein, das aus einem Unwetter gerettet und in ein Schloss von Sir Lancelot gebracht wurde.“
Talgarth strich ihr über das feuchte Haar. „Ich habe schon zu Anita gesagt, Sie sind mir herzlich willkommen. Bleiben Sie beide bitte, solange Sie wollen. Das Haus, die Gärten, der Strand stehen Ihnen zur Verfügung. Eins allerdings müsst ihr mir versprechen, nicht schwimmen zu gehen, wenn die Wellen sehr hoch sind. In St. Avrell gibt es starke Strömungen und viele Felsen dich unter der Oberfläche.“
Er zog einen Barockstuhl ans Feuer und winkte
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