Julia Exklusiv Band 0197
tun hatte.
„Ich habe Diantha gerade erzählt, wie dankbar wir dir sind, dass du uns für eine Nacht bei dir schlafen lässt“, berichtete Silvia unbedarft. Noch konnte sie ja nicht wissen, dass ihre Tochter über Leandros’ Gastfreundschaft ganz anders dachte.
„Hallo, Diantha“, begrüßte Leandros Isobels ärgste Feindin so neutral wie möglich. „Ich wusste gar nicht, dass du heute vorbeikommen wolltest.“
Dass er trotz aller Vorsicht die falschen Worte gewählt hatte, wurde ihm klar, als sie sich von ihm löste und zwei Schritte zurücktrat.
„Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen“, erwiderte Diantha. „Wenn ich gewusst hätte, dass du Besuch hast, hätte ich vorher angerufen. Aber vor dem Abendessen müsste ich dich dringend sprechen, und zwar unter vier Augen. Deine Mutter …“
„Nicht jetzt“, schnitt Leandros ihr das Wort ab und wandte sich zu Isobel um. Es wurde höchste Zeit, das Missverständnis aufzuklären, ehe sie völlig falsche Schlussfolgerungen zog. Das hatte sie jedoch bereits getan, denn er sah gerade noch, wie sie das Wohnzimmer verließ.
Sie hatte fast die Haustür erreicht, als er sie einholte und in eines der angrenzenden Zimmer zog.
„Lass mich in Ruhe!“, platzte sie heraus. „Wir haben uns nichts mehr zu sagen, du Mistkerl.“
„Der Ton kommt mir bekannt vor“, erwiderte er sarkastisch.
Um sein hochmütiges Lächeln nicht länger ertragen zu müssen, wandte sich Isobel von ihm ab und sah gedankenverloren aus dem Fenster. Nach einer Weile bedrückender Stille hörte sie, wie die Tür ins Schloss fiel. Doch ihr Instinkt sagte ihr, dass Leandros hinter ihr stand und sich langsam näherte. Um auf alles vorbereitet zu sein, ballte sie unwillkürlich die Hände zu Fäusten.
„Sobald mein Gepäck da ist, verschwinde ich von hier“, teilte sie ihm mit. „Und zwar endgültig.“
„Jetzt verstehe ich auch, warum du die ganze Zeit aus dem Fenster siehst.“
Wie sie an seiner Stimme hörte, stand er dicht hinter ihr. Wenn er es wagt, mich zu berühren, wird er sein blaues Wunder erleben, nahm Isobel sich vor.
Leandros verfügte allerdings über genügend andere Mittel, um sie zu provozieren. „Ehrlich gesagt, hatte ich nichts anderes erwartet“, gestand er spöttisch. „Vor Problemen bist du ja schon immer lieber davongelaufen, als dich ihnen zu stellen.“
Für diese Unverschämtheit hatte er eine schallende Ohrfeige verdient. Aber im letzten Moment konnte Isobel der Versuchung widerstehen. Sicher rechnete er mit dieser Reaktion, und zweifellos würde er es auszunutzen wissen, wenn sie sich zu ihm umdrehte.
„Dir kann es doch nur recht sein“, erwiderte sie deshalb. „Schließlich bleibt dir ja immer noch deine Geliebte.“
„Diantha ist nicht meine Geliebte“, widersprach er bestimmt.
„Lügner!“
Der Vorwurf stand unwidersprochen im Raum. Die Antwort, zu der sich Leandros endlich entschloss, traf Isobel gänzlich unerwartet. Denn anstatt sie mit Argumenten zu überzeugen, umfasste er ihre bloßen Arme. Ein Prickeln überlief sie. Am meisten ängstigte sie jedoch die Gewissheit, dass dies nur der Auftakt zu weiteren Berührungen war.
„Sie ist eine gute Freundin, nicht mehr und nicht weniger“, beteuerte er und strich ihr zärtlich durchs Haar. „Täusche ich mich, oder haben wir diese Unterhaltung heute schon einmal geführt?“
Die Anspielung war ebenso deutlich wie überflüssig. Mit denselben Worten hatte sie vor wenigen Stunden ihr Verhältnis zu Clive beschrieben. „Mit einem Unterschied“, verbesserte Isobel ihn. „Diantha und du hattet wirklich etwas miteinander. Clive und ich hingegen …“
„Habt wie zwei alte Freunde auf dem Bett deines Hotelzimmers gesessen und in aller Unschuld Händchen gehalten“, unterbrach er sie und beugte sich vor.
Den Spott, der auf sie niederprasselte, hätte sie vielleicht noch verkraftet. Doch dass sich Leandros zielstrebig ihrem Ohrläppchen näherte, ließ es ihr ratsam erscheinen, sich umzudrehen und dem Spuk ein Ende zu machen. Lieber seinen hämischen Blick ertragen, als seinem heimtückischen Angriff auf ihre Sinne zu erliegen.
Ehe sie ihren Entschluss in die Tat umsetzen konnte, lenkte ein Lieferwagen, der in die Einfahrt eingebogen war, ihre Aufmerksamkeit auf sich. Leandros schien ihn auch bemerkt zu haben, denn er blickte auf und beobachtete mit versteinerter Miene, wie sich ein Wagen mit der Aufschrift des Apollo-Hotels dem Eingang näherte.
Das kann nur mein Gepäck sein, dachte
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