Julia Exklusiv Band 0197
etwas völlig anderes, und so hatte es auch gänzlich andere Gründe, dass sie sich wie damals nackt fühlte. „Sieh mich nicht so an“, sagte sie verlegen. Damit er nicht merkte, was sie empfand, presste sie die Beine zusammen.
„Warum nicht?“ Sein Tonfall wie sein Gesichtsausdruck machten unmissverständlich klar, dass Leandros genau wusste, wie es um sie stand.
Weil ich für nichts garantieren kann, wenn du nicht damit aufhörst, wollte sie erwidern, als unvermittelt der Motor aufheulte. Die Ampel war auf Grün gesprungen, und Leandros musste sich wieder aufs Fahren konzentrieren.
Zunächst wusste Isobel nicht, ob sie enttäuscht oder erleichtert war. Schließlich beschloss sie, es Leandros nachzutun und stur geradeaus zu sehen. Was leichter gesagt als getan war, wenn sie nur die Hand ausstrecken und ihn zu berühren brauchte, um eine Lawine auszulösen, die nichts und niemand aufhalten könnte.
Nach qualvollen Minuten der Untätigkeit erreichten sie die Vororte, wo die Bebauung weniger dicht und die Straße steiler wurde. Endlich geriet auch der Saronische Golf, der in der Nachmittagssonne funkelte, in ihr Blickfeld.
Je weiter sie den Lykavittos hinauffuhren, desto prächtiger wurden die Gärten, in denen die Villen der Superreichen standen. Auf halber Höhe stand das Haus von Leandros’ Mutter, und vor einer scharfen Kehre lag die Einfahrt zum Anwesen seines Onkels Theron Herakleides. Seit dem Tod seines Sohnes und dessen Frau teilte er die riesige Villa mit seiner Enkelin Eve.
Eve war wohl der einzige Mensch, der sie so akzeptiert hatte, wie sie war – was sicher daran lag, dass sie genauso alt war und britisches Blut in ihren Adern floss, denn ihre Mutter war Engländerin gewesen.
„Eve ist inzwischen verheiratet.“ Leandros hatte ihre Gedanken offenbar erneut erraten.
„Das ist nicht dein Ernst“, erwiderte Isobel überrascht. Dass sich Therons ebenso verwöhnte wie eigensinnige Enkelin gebunden haben sollte, schien ihr ziemlich abwegig. „Wer ist denn der bedauernswerte Kerl, der den Wildfang bändigen muss?“
„Ein Engländer namens Ethan Hayes“, teilte Leandros ihr mit. „Theron war über ihre Wahl ganz und gar nicht begeistert, wie du dir sicher vorstellen kannst.“
Das konnte sie, denn Theron hatte mehrfach versucht, seine bildschöne Enkelin mit einem Sprössling der vielen einflussreichen griechischen Familien zu verkuppeln, zu denen er private wie geschäftliche Kontakte unterhielt. Doch Eve hatte sich von jeher mit beeindruckender Hartnäckigkeit geweigert, die Erwartungen zu erfüllen, die an sie gestellt wurden. Insofern war sie ihr nicht nur eine Freundin gewesen, sondern in mancher Hinsicht auch ein Vorbild.
Es konnte kein Zufall sein, dass es ihr ausgerechnet in jenem Moment einfiel, in dem sie in die Auffahrt zu Leandros’ Villa einbogen. Obwohl sie wesentlich kleiner und bescheidener als sein Elternhaus war, konnte sie den Reichtum ihres Besitzers nicht verbergen.
Leandros hatte es gleich nach der Hochzeit gekauft – und damit seine Mutter Thea vor den Kopf gestoßen. Sie war ein Familienmensch, und dass ihr ältester Sohn auszog, hatte für sie den Bruch mit sämtlichen Traditionen bedeutet, die ihr heilig waren. Die Schuldige hatte sie schnell in ihrer Schwiegertochter ausgemacht, denn wer außer der schamlosen Engländerin sollte Leandros sonst veranlasst haben, seine Familie im Stich zu lassen?
Probleme hatte es also vom ersten Tag an genug gegeben, und im Lauf der Zeit waren es nicht weniger geworden. Warum, zum Teufel, bin ich dann hier?, fragte sich Isobel, als der Ferrari vor dem Eingang zur Villa hielt und Leandros den Motor abstellte.
Ein Zuhause war der elegante zweistöckige Bau für sie nie gewesen – eher ein Ort, an dem Leandros und sie sich in immer kürzeren Abständen streiten konnten, ohne dass seine Familie jedes Wort mithörte. Umso abwegiger war die Hoffnung, dass sich hier eine Ehe retten ließ, die vor drei Jahren gescheitert war – und das aus gutem Grund.
Leandros hatte den Motor längst abgestellt, aber noch konnte er sich nicht entschließen auszusteigen. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, Isobel hierherzubringen, dachte er, als er ihren nachdenklichen Gesichtsausdruck sah. Zu viele und vor allem zu schlechte Erinnerungen waren mit dem Haus verbunden, das er einst in der Absicht gekauft hatte, ihnen ein Zuhause zu schaffen. Das war es allerdings nie gewesen.
Nach seiner Rückkehr aus London hatte er sich Hals über Kopf
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