Julia Exklusiv Band 0197
in seine Arbeit gestürzt und nicht gemerkt, wie sehr er Isobel vernachlässigte. Irgendwann begann sie, eigene Wege zu gehen. Stundenlang streifte sie mit ihrem Fotoapparat durch die Stadt.
Da sie eine Frühaufsteherin war, musste er immer öfter allein frühstücken, und wenn er mitten in der Nacht aus dem Büro kam, schlief sie meistens schon tief und fest. Wenn er sich dann zu ihr ins Bett legte, weckte er sie manchmal – sei es aus Versehen, sei es mit bestimmten Hintergedanken. Doch die waren ihm zunehmend vergangen, weil sie ihm jedes Mal eine fürchterliche Szene gemacht hatte.
Sie war schon immer sehr dickköpfig gewesen. Er hingegen war blind gewesen, weil er nicht gemerkt hatte, dass sie vor allem eines war: einsam.
Nun hatte ihnen das Schicksal die Chance für einen Neuanfang beschert, und er war fest entschlossen, sie zu nutzen. Mit diesem hoffnungsvollen Gedanken stieg Leandros aus und ging ums Auto herum, um Isobel die Beifahrertür zu öffnen.
Als sie aufstand, kam er erneut in den Genuss des Anblicks ihrer faszinierenden Beine, bis sie schließlich vor ihm stand und ihr Kleid glatt strich. Da erst fiel ihm auf, wie sehr es dem glich, das Diantha an Bord seiner Jacht getragen hatte – und zwar an jenem Tag, an dem er beschlossen hatte, sich von Isobel scheiden zu lassen.
Obwohl seither kaum zwei Wochen vergangen waren, schien ihm mittlerweile nichts abwegiger, als sich von dieser unvergleichlich schönen und begehrenswerten Frau jemals zu trennen. Der Gedanke lag nahe, ein Zeichen zu setzen und Isobel über die Schwelle zu tragen. Doch ehe Leandros sich dazu entschließen konnte, bemerkte er ein Auto, das im Schatten einer Palme abgestellt war.
Isobel hatte es offenbar noch nicht gesehen, und damit es dabei blieb, zog er sie an sich und küsste sie auf die Stirn. Ihm war klar, dass er dadurch nur wenig Zeit gewann. Aber jede Sekunde war kostbar, weil er sich dringend eine Antwort auf die Frage überlegen musste, die sie ihm stellen würde – falls sie ihn überhaupt zu Wort kommen lassen würde.
Es gab keine Antwort, gestand er sich ernüchtert ein, als er Isobel schließlich ins Haus führte. Jedenfalls keine, die sie überzeugen würde.
6. KAPITEL
Als sie an Leandros’ Seite den Eingangsbereich betrat, schlug ihr Kälte entgegen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Die Klimaanlage sorgte dafür, dass von der Hitze, die draußen herrschte, nichts zu merken war, und die Einrichtung der Villa war so, wie Isobel sie in Erinnerung hatte – sehr teuer, aber ungemütlich. Das Blau der Wände war zwar exakt auf die Fußbodenfliesen und das Geländer der Treppe abgestimmt, die ins Obergeschoss führte, doch es erinnerte eher an eine Krankenstation als an ein Wohnhaus.
Kein Wunder, dass ich mich hier nie wohl gefühlt habe, dachte sie, als eine ihr fremde Frau aus der Küche kam.
„Das ist Allise“, stellte Leandros ihr die Haushälterin vor, „und das ist meine Frau Isobel.“
„Ihre Gäste erwarten Sie auf der Terrasse“, teilte Allise ihm mit. „Ist es Ihnen recht, wenn ich das Abendessen um halb acht serviere?“
„Ausgezeichnet“, erwiderte er, ehe er Isobel zum Wohnzimmer führte, vor dem sich eine große Terrasse erstreckte.
„Was ist aus Agnes geworden?“, erkundigte sie sich nach Allises Vorgängerin.
„Sie ist kurz nach dir gegangen“, antwortete er.
Weil du sie rausgeworfen hast, dachte sie. Doch daraus konnte sie Leandros keinen Vorwurf machen. Agnes war ihnen durch seine Mutter vermittelt worden, und mit Sicherheit hatte sie Thea über alles auf dem Laufenden gehalten, was im Haus passierte.
Noch bevor sie die Terrasse betraten, sah Isobel ihre Mutter, die in einem bequemen Korbstuhl saß. Wie sie die Nachricht aufnehmen würde, dass die Scheidung zumindest auf unbestimmte Zeit verschoben war, stand in den Sternen. Deshalb sah Isobel der Begegnung mit Bangen entgegen. Was auch kommen mochte, wäre allerdings harmlos im Vergleich zu dem, was Leandros bevorstand, wenn er seiner Mutter …
„Da seid ihr ja endlich!“, begrüßte Silvia sie. „Wir haben uns schon gefragt, wo ihr bleibt.“
Mit „wir“, meinte sie offensichtlich sich und Lester, den Isobel erst bemerkte, als er aufstand und sich verbeugte. Der ganzen Tragweite des kleinen Worts wurde sie sich erst bewusst, als sich eine weitere Person erhob. Isobel hatte die ebenso schöne wie aparte dunkelhaarige junge Frau nur ein einziges Mal gesehen. Trotzdem wusste sie sofort, mit wem sie es zu
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