Julia Exklusiv Band 0197
bewegte den Rollstuhl über die Schwelle. „Verschwindest, ohne ein Wort zu sagen. Und die reizende Miss Christophoros hast du nicht einmal begrüßt. Kannst du mir vielleicht verraten, was das soll?“
„Allerdings kann ich das“, erwiderte Isobel aufgebracht. „Die reizende Miss Christophoros ist zufällig Leandros’ Geliebte.“
Ohne ihre Mutter auch nur anzusehen, drängte sie sich an ihr vorbei aus dem Zimmer.
Um zu verhindern, dass Isobel die Villa verließ, wollte Leandros ihr nachgehen. Doch dann sah er, dass sie zur Treppe ins Obergeschoss eilte. Ein zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht. Sie war und blieb ein kleines Biest. Offenbar wollte sie ihm eine Lektion erteilen, aber verlassen wollte sie ihn nicht.
„Stimmt das?“ Silvias schroffe Frage brachte ihn in die Gegenwart zurück. „Ist Diantha wirklich deine Geliebte?“
„Natürlich nicht“, versicherte er, während er darauf wartete, dass jeden Moment eine Tür krachend ins Schloss fiel. Als es so weit war, erkannte er am Geräusch, dass Isobel in eines der Gästezimmer am Ende des Korridors geflüchtet war.
„Ich muss dir etwas gestehen, Silvia“, überwand er sich, um auch die letzten Zweifel auszuräumen. „Es wird dir vielleicht nicht gefallen, aber ich werde den Scheidungsantrag zurückziehen.“
„Weiß Isobel das schon?“, erkundigte sich seine Schwiegermutter mit dem ihr eigenen Sarkasmus.
„Selbstverständlich“, antwortete er. „Sie wünscht es sich genauso sehr wie ich – auch wenn sie noch ein wenig Angst vor ihrer eigenen Courage hat“, schränkte er der Ehrlichkeit halber ein.
„Ich hoffe, ihr wisst, was ihr tut“, erwiderte Silvia.
Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass die skeptische Formulierung Ausdruck ihrer Zustimmung war. „Verlass dich darauf“, erklärte er und küsste sie auf die Wange. „Habe ich dir eigentlich schon gesagt, wie sehr ich mich freue, dass du hier bist? Nur dass du in diesem entsetzlichen Ding sitzen musst …“
„Das geht auch vorbei“, ersparte sie es ihm, den Satz beenden zu müssen. „Ich mache mit jedem Tag Fortschritte, und bald werde ich den Rollstuhl gar nicht mehr benötigen.“
„Das wünsche ich dir von Herzen“, versicherte er aufrichtig. „Willst du mir nicht erzählen, was passiert ist?“
Als Leandros sich zwanzig Minuten später verabschiedete, war er zutiefst bewegt. Nie hätte er sich vorstellen können, was Silvia und Isobel in den letzten Jahren durchgemacht hatten. Der Gedanke beschäftigte ihn so sehr, dass er Isobel übersah, die auf dem Treppenabsatz kauerte und das Gespräch mitgehört hatte.
Isobel wartete, bis Leandros die Tür zu seinem Arbeitszimmer hinter sich geschlossen hatte, ehe sie aufstand und zu ihrer Mutter lief. „Ich zeige dir jetzt dein Zimmer“, sagte sie gerührt, weil selbst ihr bislang nicht klar gewesen war, wie sehr Silvia in den letzten beiden Jahren gelitten hatte.
„Alles in Ordnung mit dir?“, erkundigte sich ihre Mutter, als sie ihr trauriges Gesicht sah.
„Natürlich.“
„Du liebst ihn immer noch, stimmt’s?“
„Natürlich“, antwortete Isobel erneut. Doch was hätte sie sonst sagen sollen?
Als pünktlich um halb acht zum Abendessen geläutet wurde, machte Isobel sich ohne ihre Mutter auf den Weg. Silvia war müde und wollte lieber in ihrem Zimmer im Anbau bleiben.
Trotzdem war Isobel verwundert, als sie feststellte, dass auf dem großen Esstisch nur zwei Gedecke standen. Auf Dianthas Gesellschaft konnte sie getrost verzichten, aber zumindest Lester hatte sie erwartet. Als die Tür aufging, glaubte sie zu wissen, warum das Abendessen ohne ihren Anwalt stattfinden würde. Leandros war so elegant gekleidet, als gäbe es etwas zu feiern.
Sie hatte sich nach einer ausgiebigen Dusche zwar dezent geschminkt und das Haar hochgesteckt, aber dasselbe Kleid angezogen, das sie schon am Nachmittag getragen hatte – schließlich befand sich kein anderes in ihrem Gepäck.
„Ein schlichter Anzug hätte es auch getan, findest du nicht?“, fragte sie bissig, um ihre Verlegenheit zu verbergen.
Seine Antwort drohte ihr den Abend zu verderben, ehe dieser begonnen hatte. „Ich muss nach dem Essen noch mal das Haus verlassen“, erwiderte Leandros. „Meine Mutter besteht darauf, mich heute noch zu sehen, und wenn ich nicht zu ihr gehe, kommt sie zu mir. Ich nehme an, du legst an deinem ersten Abend keinen Wert auf eine Begegnung mit ihr“, fügte er hinzu, ehe er sie zu ihrem Platz führte.
Das
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