Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
gefunden haben. Glaubst du, dass wir uns geirrt haben?“
Zahir schluckte. „Nein, das glaube ich nicht.“
„Ich auch nicht. Aber lass uns zunächst über unser Unfallopfer sprechen. Als du mir gesagt hast, dass man sich um die Frau kümmern wird, was genau hast du damit gemeint? Dass das Krankenhaus die Botschaft ihres Heimatlandes kontaktieren wird, wo irgendein Beamter ihr ein Dokument zur Unterschrift aushändigen wird, in dem sie sich verpflichtet, sämtliche Kosten für ihren Krankenhausaufenthalt zurückzuzahlen?“
„Ich bin davon ausgegangen, dass du die Rechnung für ihre medizinische Versorgung übernehmen willst. Davon abgesehen …“
„Wahrscheinlich wird die Botschaft ihr auch nur helfen, wenn sie ihre Identität nachweisen kann“, überlegte Hanif laut weiter. „Und das wird nicht so einfach sein, schließlich ist alles, was sie bei sich hatte, verbrannt. Wer wird sich in der Zwischenzeit um sie kümmern?“
„Du hast ihr das Leben gerettet, Han. Mehr kann man nicht von dir erwarten.“
„Ganz im Gegenteil, Zahir. Weil ich ihr das Leben gerettet habe, trage ich jetzt Verantwortung für sie. Wer ist sie? Wie ist ihr Name?“
„Lucy Forrester.“
„Hat sie gesagt, wohin sie wollte?“
„Nein. Sie schien völlig verwirrt, deshalb haben die Ärzte auch befürchtet, dass sie einen Gehirnschaden davongetragen haben könnte.“
„Und trotzdem haben die Ärzte gesagt, dass sie entlassen werden kann?“, fragte Hanif und sprang auf. Noch bevor Zahir etwas sagen konnte, war sein Cousin bereits zur Tür geeilt. „Ich werde am besten selbst mit ihnen sprechen.“
„Warte!“ Der jüngere Mann lief hinter ihm her. „Du hast schon genug für sie getan. Die Frau ist zweifellos Britin. Ihre Botschaft wird sich schon um sie kümmern.“
„Ich entscheide selbst, wann ich genug getan habe“, erklärte Hanif. „Wo ist er? Der Arzt?“
„Er wurde zu einem anderen Notfall gerufen. Ich werde veranlassen, dass man ihn anpiept.“
„Lass nur.“ Es war nicht der Arzt, der ihn interessierte, sondern dessen Patientin. „Wo ist sie?“
Zahir zögerte und fügte sich dann offensichtlich in sein Schicksal. „Sie ist in einem der Behandlungsräume. Die letzte Tür links.“
Lucy Forrester sah nicht besser, sondern schlechter aus als zu dem Zeitpunkt, als Hanif sie in die Notaufnahme des Krankenhauses getragen hatte.
Vor seinem inneren Auge sah er sie vor sich, kurz bevor sie das Bewusstsein verloren hatte. Ihr langes blondes Haar hatte ihr Gesicht teilweise verdeckt, aber dennoch waren ihm ihre helle Haut und die großen grauen Augen aufgefallen. Seitdem waren ihre Prellungen sichtbar geworden wie bei einem Foto im Entwicklungsbad. Ihre Arme waren voller dunkler Blutergüsse, Schürf- und Schnittwunden, die genäht worden waren, in ihrem Haar klebte überall getrocknetes Blut.
Die Ärzte hatten die Verletzungen versorgt und ihr rechtes Bein unterhalb des Knies mit einer Schiene aus Plastik versehen, doch für mehr als die notwendigen medizinischen Maßnahmen war offensichtlich keine Zeit gewesen. Man hatte ihre Wunden gesäubert, aber sonst nichts. Vermutlich war das die Aufgabe der Schwestern auf der Krankenstation.
Nun lag Lucy einsam und verlassen auf einer Liege und wartete darauf, dass man entschied, was mit ihr geschehen sollte. Sie sah vollkommen erschöpft aus.
In der Sekunde, bevor sie in Ohnmacht gefallen war, hatte blankes Entsetzen in ihren Augen gestanden. Jetzt, als sie Hanif erblickte, war ihr Blick wieder voller Angst. Sie zuckte zusammen, als sei sie aus einem Albtraum erwacht. Instinktiv ergriff Hanif ihre Hand.
„Es ist alles in Ordnung, Lucy“, beruhigte er sie. „Sie sind hier sicher.“
Die Furcht in ihrer Miene schwand und machte einem anderen Gefühl Platz, das Hanif nicht genau einordnen konnte, aber das irgendetwas in seinem Inneren berührte.
„Sie haben mich gerettet“, sagte sie. Ihre Worte waren kaum zu verstehen, so geschwollen waren ihre Lippen.
„Legen Sie sich wieder hin. Sie dürfen sich nicht überanstrengen.“
„Ich dachte … ich dachte …“
Es war nur zu offensichtlich, was sie gedacht hatte, aber er nahm es ihr nicht übel. Sie war vollkommen hysterisch gewesen, und er hatte keine Zeit für Erklärungen gehabt.
Hanif ließ ihre Hand los, machte eine leichte Verbeugung, eine Geste, die normalerweise nur seiner Mutter und Großmutter vorbehalten war. „Mein Name ist Hanif al-Khatib. Haben Sie Freunde in Ramal Hamrah?“ Es war der
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