Julia Exklusiv Band 238 (German Edition)
Mann zur Rede stellen, der sie betrogen hatte.
Sie überprüfte noch einmal das Navigationssystem und korrigierte ihre Position leicht. Dann sah sie sich um und versuchte, sich in ihrer Umgebung zu orientieren.
Gar nicht so einfach, schließlich waren am Horizont weit und breit nur Berge zu sehen. Ihre Umrisse waren schärfer geworden, seitdem Lucy sich auf einer höheren Ebene befand und weiter von der Küste entfernt hatte. Hier gab es kein Grün mehr, lediglich vereinzelte dürre Sträucher inmitten einer ausgetrockneten und öden Landschaft.
Lucys Augen schmerzten von der brennenden Sonne, gegen die ihre leicht getönte Sonnenbrille nichts auszurichten vermochte. Seit einiger Zeit plagten sie Hunger und Durst. Sie hätte wissen müssen, dass allein ihre schäumende Wut nicht ausreichen würde, um sie in der Wüste bei Kräften zu halten, und die mitgebrachte Wasserflasche war schon lange leer. Hinzu kam, dass die unsanfte Fahrt über das zerklüftete Gelände sie derart durchgeschüttelt hatte, dass sie glaubte, am ganzen Körper blaue Flecken zu haben.
Sie verstand es einfach nicht. Der Karte zufolge waren es nicht mehr als hundert Kilometer bis zu Steves Zeltplatz. Drei Stunden Fahrt, höchstens vier. Sie hätte schon längst da sein sollen.
Lucy schloss kurz die Augen, um ihnen wenigstens für eine Sekunde Linderung zu verschaffen. Ein folgenschwerer Fehler. Ohne Vorwarnung kippte der Jeep nach vorn, sodass Lucy in den Sicherheitsgurt gepresst wurde. Das Steuer wurde ihr aus den Händen gerissen, und bevor sie die Kontrolle über das Fahrzeug zurückerlangen konnte, stieß eines der Vorderräder gegen etwas Hartes. Der Bug des Wagens hob sich und verharrte einen scheinbar endlosen Moment lang in der Luft, bevor das Hinterrad auf dasselbe unsichtbare Hindernis traf und ebenfalls den Boden verließ.
Die Welt wurde aus ihren Angeln gehoben. Nur der Gurt verhinderte, dass Lucy durch die Luft geschleudert wurde, während das Fahrzeug sich wieder und wieder überschlug.
Ihre Arme wirbelten unkontrolliert umher und stießen gegen das Lenkrad, das Dach der Fahrerkabine, den Schaltknüppel. Ihre Beine wurden gegen die harten Kanten des Armaturenbretts geschleudert. Alle möglichen Gegenstände flogen durch die Luft und trafen Lucy am Hinterkopf und an den Schultern.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der Jeep zum Stillstand kam.
Fürs Erste war das genug.
Nachdem es Lucy gelungen war, ihren verschwommenen Blick auf ihre Umgebung zu richten, hatte sie zwar den Eindruck, dass die Welt sich immer noch in einem merkwürdigen Winkel befand, aber die Stille war so beruhigend, dass Lucy, die froh war, sich in der Sicherheit ihres Gurts ausruhen zu können, keinerlei Drang verspürte, sich zu bewegen.
Sogar das Grün war wieder zurückgekehrt. Durch die milchige Scheibe des Sicherheitsglases hindurch versuchte Lucy, sich einen Reim auf die grünen Umrisse zu machen.
Bäume, entschied sie nach einer Weile. Lediglich die Tatsache, dass sie auf dem Kopf standen, verwirrte sie, dass sie unter- und nicht oberhalb einer hohen Mauer hervorschauten.
Vielleicht bin ich tot, dachte Lucy ganz nüchtern.
Im Himmel war es bestimmt grün. Und ruhig. Obwohl das mächtige Tor, das in die Mauer eingelassen war, nicht wie die weiß glänzenden Himmelspforten in den frommen Büchern aussah, die ihre Großmutter ihr gegeben hatte. Vielmehr war es aus dunklem Holz.
Die Mauer hatte die gleiche Farbe wie der hellbraune Wüstensand. Von Weitem war sie wahrscheinlich kaum zu sehen. Wenn nicht die Schatten der tief stehenden Sonne gewesen wären, hätte Lucy sie wohl auch jetzt kaum bemerkt.
Nach und nach drangen verschiedene Geräusche in ihr Bewusstsein. Das Knacken des abkühlenden Motors. Papierrascheln. Sie sah ihr Tagebuch, das inmitten der anderen Gegenstände lag, die aus ihrer Tasche gefallen waren. Die Seiten flatterten im Wind. Lucy schloss die Augen.
Minuten oder vielleicht auch Stunden später schlug sie sie wieder auf. Ein stampfendes Geräusch war zu hören, das Lucy zwar irgendwie bekannt vorkam, das sie im Augenblick aber nicht einordnen konnte. Dann vernahm sie noch etwas: ein stetiges Tropfen.
Kühlwasser oder Bremsflüssigkeit, entschied sie.
Langsam erwachte sie aus ihrer Starre und beugte sich vor, um den Sicherheitsgurt zu lösen, doch ein jäher Schmerz am Kopf ließ sie in der Bewegung innehalten. Verwirrt versuchte sie, sich nicht zu bewegen und ein paar Mal ruhig durchzuatmen, um ihre Kräfte zu
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