Julia Extra 0353
ihren Worten grinste Marco und tauschte einen vielsagenden Blick mit Natania. Gabriella atmete auf. Die beiden schienen ein Paar zu sein. Wie erleichternd! Genauso wie die Information, dass Frauenbesuch im Palazzo offenbar nicht an der Tagesordnung war.
„Danke, Natania.“ Sie lächelte die andere Frau voller Wärme an. „Ich werde mich hier bestimmt wohlfühlen.“
Raoul führte sie in den oberen Stock. Gabriella hielt den Atem an, als er die Tür zu seiner Suite öffnete. Der riesige Salon bot einen herrlichen Ausblick über den Kanal.
„Brauchst du so viel Platz für dich allein?“
„Nicht unbedingt, aber ich habe den Palazzo vor ein paar Jahren beim Kartenspiel gewonnen, und die Größe war dabei kein Kriterium.“
„Hast du ihn als Geldanlage behalten?“
„Nein. Es war pures Glück, dass ich ihn nicht direkt wieder verloren habe.“
Sie lachte ungläubig. „Du machst Witze, oder? Du wärst doch nicht so ein Risiko eingegangen!“
Er zuckte mit den breiten Schultern. „Für mich war es kein Risiko. Es hat mir nichts bedeutet. Wie auch immer … Komm herein.“
Staunend sah Gabriella sich um. An den Salon grenzte eine Bibliothek. Hohe Bücherregale säumten die Wände und reichten bis hinauf zu der kunstvoll bemalten Decke.
„Du hast eine Bibliothek!“, rief sie begeistert aus. Ein breites Lächeln erhellte ihr Gesicht, während sie sich um sich selbst drehte. Bei ihrer kindlichen Freude krampfte sich Raouls Magen schmerzhaft zusammen.
So viel Begeisterung.
So viel Leben.
So eine Verschwendung.
Gabriella blieb stehen. „Es ist wunderschön“, sagte sie fast ehrfürchtig.
Er konnte es kaum ertragen. Zuerst ihre Begeisterung im Wassertaxi. Er hatte nicht widerstehen könnte. Er musste sie in seine Arme nehmen, ihre Aufregung spüren.
Und jetzt hier. Aber diesmal beherrschte er sich und sah sie nur an. Ihren weichen, verlockenden Körper, der vor Freude bebte.
Sah sie immer in allem nur das Schöne?
Begriff sie nicht, dass es nicht von Dauer sein konnte?
Mit einer fast barschen Bewegung öffnete er eine breite Doppeltür. „Hier entlang.“
Ich habe irgendetwas falsch gemacht, durchfuhr es Gabriella. Gerade noch war Raoul herzlich und voller Wärme gewesen. Sie konnte noch immer seine breite, warme Brust an ihrem Rücken spüren. Seine Umarmung auf dem Wassertaxi war gleichzeitig zärtlich und voller Verlangen gewesen.
Oder hatte sie nur ihr eigenes Verlangen gefühlt?
Doch von einem Augenblick auf den anderen konnte sie jetzt sehen, wie er sich von ihr zurückzog. Es gab keine Wärme mehr. Er hatte sich starr aufgerichtet, und die Luft um ihn herum schien förmlich zu gefrieren.
Irgendetwas stieß ihn ab. Ist es meine Unerfahrenheit, meine naive Freude? fragte Gabriella sich. Raoul war mehr als zehn Jahre älter als sie. Im Gegensatz zu den Frauen, mit denen er sonst wahrscheinlich zu tun hatte, musste sie ihm furchtbar unreif vorkommen. Dass er keine Frauen mit in den Palazzo brachte, hieß noch lange nicht, dass es keine in seinem Leben gab.
Bedrückt folgte sie ihm in den nächsten luxuriös ausgestatteten Raum. Vier bogenförmige Fenstertüren führten auf den großen Balkon, den sie schon von unten gesehen hatte. Aber noch überwältigender als der Ausblick war der gigantische Kronleuchter. Mit offenem Mund bewunderte sie das gläserne Kunstwerk.
„Dies ist das Esszimmer.“ Raoul wollte schon weitergehen, als er sah, wie sie staunend nach oben blickte. „Muranoglas. Ein Original“, erklärte er.
„Ganz außergewöhnlich!“, sagte Gabriella vorsichtig, um nicht schon wieder zu begeistert zu wirken.
„Warst du schon dort? In den Glasmanufakturen?“
„Ja, damals mit der Klasse, aber wir haben nichts Vergleichbares gesehen.“
„Dann fahre ich noch einmal mit dir.“
„Wirklich?“ Dann fiel ihr ein, dass sie nicht mehr so aufgeregt wirken wollte, und sie bemühte sich um einen gelassenen Gesichtsausdruck. „Danke. Wenn es dir nicht zu viel Mühe macht.“
„Ich werde es arrangieren.“ Er räusperte sich. „Neben dem Esszimmer ist die Küche. Natania kocht meist abends. Die beiden wohnen einen Stock über uns. Und dort ist dein Zimmer.“ Er öffnete eine weitere Tür.
Gabriella merkte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Denn trotz der farbenfrohen Einrichtung hatte sie nur Augen für das riesengroße Bett. Es stand am anderen Ende des Raums in einem imposanten Alkoven. Reich verzierte Säulen schmückten den Eingang zum Schlafgemach, dessen Wände
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