Julia Extra 0353
aufgedrehte Mädchen.“
„Ich erinnere mich. Du hast uns in der ersten Nacht in den Bergen davon erzählt, als wir am Kamin saßen. Ich hatte ganz vergessen …“
Kein Wunder, dass er meine kleine Geschichte vergessen hat, dachte Gabriella. Die Zeit in den Bergen war ihr letzter gemeinsamer Urlaub gewesen. Sie erinnerte sich selbst nicht mehr an viel, nur noch an den Hubschrauberflug, auf den sie sich so gefreut hatte. Wie enttäuscht war sie gewesen, als sie in der Nacht krank wurde. Am nächsten Tag war Raoul freiwillig bei ihr geblieben, damit ihre Eltern nicht auf den Flug verzichten mussten. Sie verbrachte den Tag auf dem Sofa und hörte im Halbschlaf zu, wie Raoul ihr eine Geschichte nach der anderen vorlas. Sie dachten sich nichts Böses, als es dunkel wurde. Nicht bevor die Polizei vor der Tür stand.
„Du beißt dir ja schon wieder auf die Lippen, Bella.“ Raoul legte den Arm um ihre Schultern. „Keine Sorge! Ich verspreche dir, dass ich dich vor allen Tauben mit Langzeitgedächtnis beschützen werde.“
Sie lachte, dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen, legte die Arme um seinen Nacken und küsste ihn auf die Wange. „Danke, dass du mir erlaubt hast mitzukommen.“ Sie seufzte wohlig, als sie seinen vertrauten Duft wahrnahm und seinen starken Körper spürte.
Raoul löste ihre Arme von seinem Hals. Hatte sie schon wieder eine unsichtbare Grenze überschritten? Doch er überraschte sie, indem er sie sanft herumdrehte und seine Hände vor ihrem Bauch miteinander verschränkte. Ihre Körper passten perfekt zueinander. Gabriella fühlte sich fast verstörend behaglich.
„Gleich sind wir da“, sagte er, als das Wassertaxi in einen schmaleren Kanal einbog.
Gabriella konnte sich nicht sattsehen. In den engen Gassen zogen sich Wäscheleinen von Mauer zu Mauer, bunte Blumen blühten verschwenderisch vor den Fassaden, und immer wieder überspannten malerische Brücken die Kanäle.
Sie wünschte sich, die Fahrt würde niemals enden. Bei jedem Atemzug fühlte sie Raouls Hände auf ihrem Bauch, seine Arme um ihren Oberkörper, so nah an ihrer Brust, dass sie vor Verlangen kaum atmen konnte.
Viel zu schnell legte das Taxi vor einem eindrucksvollen Palazzo an. Trotz seiner Größe sprang Raoul erstaunlich leichtfüßig aus dem Boot und reichte ihr seine Hand. Gabriella betrachtete staunend die rosafarbenen Mauern und die hohen, bogenförmigen Fenster. Es gab sogar einen ausladenden Balkon, der von breiten Marmorsäulen gestützt wurde.
Als Raoul seine Wohnung in Venedig erwähnt hatte, hatte sie sich alles andere als dieses gotische Meisterwerk vorgestellt!
„Willkommen, Raoul!“ Eine schmiedeeiserne Gittertür öffnete sich, und ein junger Mann trat heraus. „Wir haben dich schon erwartet“, sagte er und griff nach den Koffern.
„Danke, Marco.“ Raoul reichte ihm das Gepäck. In diesem Moment kam eine junge Frau aus dem Haus. Sie lachte erfreut. Doch als sie Gabriella sah, weiteten sich ihre Augen erstaunt.
„Darf ich vorstellen“, sagte Raoul. „Das sind Marco und Natania. Sie kümmern sich um den Palazzo – und um mich.“
Wie schön sie ist! dachte Gabriella und betrachtete Natanias anmutige Gestalt. Sie trug eine weiße Bluse und dazu einen Minirock, der bei jeder Bewegung um ihre schlanken Oberschenkel schwang. Goldene Creolen zierten ihre Ohren, und ihre Augen waren so schwarz wie die langen Locken.
Wie, um alles in der Welt, konnte Raoul einer so hinreißenden Frau widerstehen? Gabriella verspürte einen seltsamen Stich. War sie etwa eifersüchtig?
„Und das ist Gabriella D’Arenberg“, sprach Raoul weiter. „Sie wird für einige Zeit unser Gast sein.“
„Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Gabriella“, sagte Natania fröhlich. Der junge Mann an ihrer Seite lächelte und nickte zustimmend. Gabriella bemerkte, dass auch er auf eine südländische Art sehr attraktiv war, aber im Gegensatz zu Raouls männlicher Erscheinung wirkte er fast jungenhaft.
„Ich hätte dich warnen sollen. Wir legen hier keinen Wert auf Förmlichkeiten“, erklärte Raoul. „Oder bevorzugst du eine formellere Anrede? Miss? Mademoiselle?“
Gabriella schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall! Ich freue mich, Sie beide kennenzulernen.“
„Und ich freue mich, zur Abwechslung noch eine zweite Frau bei uns zu haben.“ Als Natania ihr die Hand entgegenstreckte, klirrten die zahlreichen Armreifen an ihrem schmalen Handgelenk. „Es ist so langweilig, wenn immer nur Männer im Haus sind!“
Bei
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