Julia Extra 0353
fragte Philippa besorgt.
Gabriella rieb ihre Stirn. „Ja, ich habe nur entsetzliche Kopfschmerzen. Ich muss wohl irgendetwas missverstanden haben.“
„Warte, ich besorge dir ein paar Tabletten.“
Gabriella seufzte und lehnte sich erschöpft gegen eine Säule. Sie hatte nicht gelogen, ihr Kopf tat wirklich weh, außerdem brannten ihre Füße, und ihr Herz fühlte sich wie eine riesige gähnende Leere an. Schade, dass es dagegen keine Tablette gab.
Wie sollte ihr Leben ohne den Großvater weitergehen? Sie betrachtete die letzten Gäste, die bei Kaffee und Cognac Erinnerungen an alte Zeiten austauschten. Ob es irgendjemandem auffiel, wenn sie still und heimlich verschwinden würde? Aber sie wusste, dass sie bis zum Ende der Trauerfeier bleiben musste.
Plötzlich schien sich die Luft im Raum mit Erwartung zu füllen. Die feinen Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf, als sie den Blick dunkler Augen auffing. In diesem Moment kam auch Philippa zurück.
Sie reichte Gabriella ein Glas Wasser, doch dabei starrte sie fasziniert in eine ganz andere Richtung. „Wow! Vergiss für einen Augenblick alle wundervollen Ehemänner. Wer, in aller Welt, ist das?“
Gabriella wusste sofort, wen Philippa meinte. Sie spürte Raouls Gegenwart mit jeder Faser ihres Körpers.
Er war gekommen.
Dann war er bei ihr, so groß und breitschultrig und gefährlich. Und trotz seiner dunklen Erscheinung brachte er ihre Welt zum Leuchten.
„Raoul del Arco“, stellte er sich Philippa mit einer leichten Verbeugung vor.
Überdeutlich nahm Gabriella seine Finger wahr, die auf ihrem Rücken lagen. Ihre Brüste fühlten sich schwer und empfindsam an, und tief in ihrem Bauch pochte ein plötzliches Verlangen.
„Ich dachte schon, du würdest nicht mehr kommen“, sagte sie etwas atemlos. Als sie den Anklang von Verzweiflung und sogar Vorwurf in ihrer Stimme hörte, zwang sie sich zu einem Lächeln. „Aber ich bin froh, dass du jetzt da bist. Darf ich dir Philippa Edwards vorstellen? Wir waren zusammen in England im Internat.“
Raoul nickte. „Es ist mir ein Vergnügen.“
„Raoul war immer wie ein großer Bruder für mich“, erklärte Gabriella. Und mein persönlicher Held, fügte sie im Stillen hinzu.
„Umberto war einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben, und Gabriella besitzt einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen.“ Sein Arm bewegte sich aufwärts, bis seine Hand auf ihrer Schulter lag. Mit einer Geste, die nicht im Geringsten brüderlich wirkte, zog er sie enger an seinen warmen Körper. „Leider haben wir viel zu lange den Kontakt verloren. Aber diesen Fehler werde ich nicht noch einmal begehen.“ Er sah ihr tief in die Augen.
Ich hätte etwas essen sollen, dachte Gabriella. Sie fühlte sich, als würden jeden Moment die Knie unter ihr nachgeben. Philippa sah von einem zum anderen, dann verabschiedete sie sich. Nach einer letzten Umarmung der Freundin blieb Gabriella allein mit Raoul zurück.
Als er seinen Arm sinken ließ und sie anschaute, vermisste sie schon jetzt seine Berührung.
„Es tut mir leid, wenn du gewartet hast, Bella. Aber du hattest gesagt, du wolltest reden, und ich dachte, das wäre einfacher, wenn die anderen Gäste schon gegangen sind. Darf ich dich vielleicht heute Abend zum Essen einladen?“
„Ich … ich wollte eigentlich gerade nach Hause gehen.“
„Natürlich. Es war ein langer und anstrengender Tag für dich. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich dich nach Hause fahre?“
„Nein, nicht nach Hause“, entschied sie plötzlich. Heute würde dort kein Großvater auf sie warten. Nie wieder. Wieso hatte sie jemals geglaubt, ihr Heim wäre ein Zufluchtsort?
Außerdem fühlte sie sich plötzlich gar nicht mehr so leer und ausgelaugt. Stattdessen schien jeder Nerv in ihrem Körper zu vibrieren. Mit einem Mal merkte sie auch, wie ausgehungert sie war. Es kam ihr vor, als hätte sie seit einer Ewigkeit nichts mehr gegessen.
„Danke, Raoul. Wenn das Angebot noch gilt, würde ich sehr gern mit dir essen gehen.“
Er blieb bei ihr, bis der letzte Gast gegangen war, dann brachte er sie in ein wunderbar altmodisches Bistro am Ufer der Seine. Als er die Tür zu dem winzigen Gastraum öffnete, empfing sie der Duft von geröstetem Knoblauch und geschmorten Tomaten. Hier gab es keine Millionäre, keine Playboys, Politiker oder Filmstars, nur ganz normale Leute.
Na ja, abgesehen von Raoul, dachte Gabriella. Sie war froh, dass sie ihm gegenübersaß und ihn nach Herzenslust
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