Julia Extra 0353
anschauen konnte.
Sie war glücklich, mit ihm zusammen zu sein.
„Heute habe ich dich zweimal allein gefunden“, sagte er leise, nachdem sie bestellt hatten. „Konnte Garbas nicht bis zum Ende der Trauerfeier bleiben?“
Gabriella zupfte nervös an der Serviette auf ihrem Schoß. Die Spannung zwischen den beiden Männern war schon groß genug. Raoul brauchte nicht zu wissen, dass Consuelo gar nicht gekommen war.
„Er musste dringend weg. Etwas Wichtiges, denke ich.“
„Wichtiger als du?“
Sie errötete und war froh, dass der Kellner an den Tisch trat und ihre Gläser füllte. Im Kerzenlicht schimmerte der Wein rubinrot. Bisher hatte Consuelo sie nie ohne guten Grund allein gelassen oder sich verspätet. Außerdem war sie schon daran gewöhnt, weil es so oft passierte. Aber dass er sie gerade heute im Stich ließ … Doch bestimmt hatte er einen guten Grund!
Aber aus welchem Grund dachte er, dass sie bei ihm einziehen wollte? Seit wann deuteten ein paar gemeinsame Partys und Abendessen auf ein unmittelbar bevorstehendes Zusammenleben hin?
Erst jetzt bemerkte sie, dass Raoul immer noch auf ihre Antwort wartete. „Bestimmt sehr viel wichtiger.“ Sie lächelte ironisch. „Aber ich bin nicht mit dir essen gegangen, um über Consuelo zu reden.“
„Der Punkt geht an dich.“ Raoul hob sein Glas. „Auf uns, Gabriella. Auf alte Freunde und neue Anfänge.“
Seine Worte berührten sie bis ins Innerste. „Auf uns.“ Sie nippte an ihrem Wein, während sie über den Rand des Glases hinweg seinen Blick auffing.
Interpretiere ich zu viel in seine Worte hinein? fragte sie sich. Sie fühlte und hörte Dinge, die er unmöglich so meinen konnte. Und was sollte dieses ganze Gerede über neue Anfänge und zu lange Trennungen? Er würde doch sowieso heute Nacht wieder aus ihrem Leben verschwinden, und diesmal würde ihn nicht einmal Umberto zu ihr zurückbringen.
Hastig stellte Gabriella ihr Glas zurück. Sie wollte einen klaren Kopf behalten. „Ich habe gehört, dass du Umberto in der Woche vor seinem Tod besucht hast.“
„Hat er dir das erzählt?“
Als sie den Kopf schüttelte, tanzten goldene Lichter in ihrem Haar. „Nein, die Krankenschwester. Er ist gestorben, bevor … bevor ich aus London zurückkommen konnte. Ich war zu spät.“
„Das tut mir sehr leid.“ Im Stillen betete er, dass sein Besuch den Tod seines alten Freundes nicht beschleunigt hatte.
„Ich glaube, er wusste, dass er stirbt, und er wollte mich nicht hier haben. Er hat mich selbst weggeschickt.“
„Das wusste ich nicht.“
„Philippa stand kurz vor der Geburt. Ihr Ehemann war in Übersee, sein Rückflug war schon gebucht. Aber kurz vor seinem Abflug ist der Flughafen wegen eines Aufstands geschlossen worden, und er saß plötzlich in einem Kriegsgebiet fest. Philippa war außer sich vor Angst. Kein Wunder, dass ihr Baby früher gekommen ist. Ich wollte Umberto trotzdem nicht allein lassen, aber er hat mir versichert, es ginge ihm schon viel besser und ich müsste jetzt meiner Freundin beistehen. Er hat mir versprochen, dass er wieder gesund wird …“
Raoul nahm ihre Hand. „Er hat versucht, dich zu schützen.“
„Indem er mir die Chance genommen hat, in den letzten Momenten seines Lebens bei ihm zu sein?“ Sie atmete tief ein und schüttelte den Kopf. „Ich fühle mich betrogen, nicht beschützt. Ich konnte mich nicht einmal richtig von ihm verabschieden.“
„Bella.“ Er streichelte ihre Wange und wischte dabei mit dem Daumen ihre Tränen fort. „Ich glaube, er wollte nicht, dass du ihn so siehst.“
„Aber warum wollte er sich nicht von mir verabschieden?“
„Vielleicht wollte er, dass du ihn so in Erinnerung behältst, wie er vorher war: stark und fröhlich. Doch am Ende war er ans Bett gefesselt und wurde von blinkenden und piependen Maschinen am Leben gehalten. Er hat dich zu sehr geliebt, um dich diesem Anblick auszusetzen.“
Gabriella schniefte, dann schmiegte sie ihre tränennasse Wange an seine Hand. Sie starrte ins Leere, als würde sie über seine Worte nachdenken. Dabei sah sie so verloren aus wie ein kleines Mädchen im Körper einer erwachsenen Frau. Ein Mädchen, das in seinem kurzen Leben schon zu viel gelitten hatte.
Selbst mit tränenverschmiertem Gesicht und zitternden Lippen raubte ihre Schönheit ihm den Atem. Auch ohne ihr Vermögen wäre sie ein guter Fang.
Was für eine Verschwendung!
Gabriella verdiente nur das Beste. Sie verdiente Glück und Liebe und einen Ehemann, der ihr
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