Julia Extra 0353
zusammen, um das dumpfe Pochen zwischen ihren Beinen zu unterdrücken.
„Komm mit mir nach Venedig, Bella!“
Gabriella stockte der Atem. „Wie bitte?“
„Ich muss geschäftlich nach Venedig. Komm mit mir, Bella!“
Sie schüttelte den Kopf. Sie war hin- und hergerissen zwischen Bedauern, weil er schon wieder abreiste, und dem Verlangen, einfach mit ihm zu fahren. Aber so etwas war nicht ihre Art. „Das kann ich nicht.“
„Warum nicht?“
„Ich muss arbeiten.“
„Du hast Urlaub.“
„Aber … aber …“ Ihr fiel nur ein, warum es wundervoll wäre, Raoul zu begleiten.
„Warum willst du hierbleiben? Ein Tapetenwechsel würde dir guttun.“
„Nein. Das wäre … unvernünftig. Worüber hatten wir vorher gesprochen?“
„Denk einfach in Ruhe darüber nach.“ Er zuckte gelassen mit den Schultern, als wäre ihm gleich, wie sie sich entscheiden würde. „Wir hatten über dich gesprochen. Wo bist du zur Schule gegangen? Umberto hat mir von einem Internat erzählt.“
Sie nickte, während seine Bitte in ihren Ohren nachklang: Komm mit mir nach Venedig, Bella! Für einen Moment war sie der Versuchung nahe, einfach Ja zu sagen. Lag es am Wein, dass sie sich plötzlich so unbekümmert fühlte?
Sie versuchte, sich auf seine Frage zu konzentrieren. „Ich bin auf dasselbe Mädcheninternat in England gegangen, das schon meine Mutter besucht hat. Auch wenn ich weit weg von Umberto war, hatte ich das Gefühl, dort meiner Mutter näher zu sein, wenn ich über dieselben Korridore gegangen bin, in denselben Räumen gesessen habe … Ich weiß nicht, wie ich es besser erklären soll.“ In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. „Hast du ernst gemeint, dass ich dich begleiten soll?“ Sofort schüttelte sie den Kopf. „Aber nein, das ist eine verrückte Idee! Du denkst bestimmt, ich rede nur Unsinn.“
„Ganz im Gegenteil!“ Er prostete ihr zu. „Und es ist absolut keine verrückte Idee.“
Das war es doch! Wenn sie mit ihm nach Venedig ging, würde sie ihn hinterher nur umso mehr vermissen.
„Wie auch immer“, versuchte sie, das Thema zu wechseln. Es hatte keinen Sinn, über das Unmögliche nachzugrübeln. „Auf dem Internat habe ich auch Philippa kennengelernt. Wir haben beide in Paris Bibliothekswesen studiert und während der Zeit sogar zusammengewohnt. Und obwohl sie jetzt in New York lebt, ist sie immer noch wie eine Schwester für mich. Nicht, dass ich je eine gehabt hätte.“ Sie brach ab. „Herrje, ich rede zu viel, nicht wahr?“
„Nein, ganz und gar nicht. Ich könnte dir die ganze Nacht zuhören. Ich wünschte nur, ich wäre mehr für dich da gewesen, Bella.“ Vielleicht wäre er dann heute selbst nicht so verloren.
Sie zuckte mit den Schultern. „Es ging mir gut. Ich war gern im Internat, jedenfalls nach einer Weile. Außerdem – was hättest du denn tun können? Du hättest wohl kaum einen Teenager großziehen können. Du hattest dein eigenes Leben.“
So kann man es auch ausdrücken, dachte Raoul und unterdrückte ein bitteres Lächeln. Die ersten zwei Jahre nach dem Tod seiner Eltern hatte er mehr oder weniger im Dauerrausch verbracht und versucht, sein Geld in Kasinos oder bei Pferderennen durchzubringen.
Mitten in dieser finsteren Zeit hatte er Katia gefunden – oder sie hatte ihn gefunden. Sie hatte ihn gewollt, und sie waren so vertieft in ihr großes Glück gewesen, dass nichts anderes mehr wichtig gewesen war. Wenigstens hatte er das damals geglaubt. Doch dann war seine Welt ein weiteres Mal zerstört worden.
Er schüttelte den Kopf. Mittlerweile sollte er vernünftiger geworden sein. Aber offensichtlich hatte er völlig den Verstand verloren. Sonst würde er nicht denken, was er dachte, nicht tun, was er gerade tat.
Mit der Reise nach Venedig hatte er Gabriella einen Floh ins Ohr gesetzt. Er sah genau, wie der Gedanke die ganze Zeit in ihrem Kopf herumschwirrte. Am Ende würde sie ihn begleiten, daran zweifelte er nicht. Sie würde nicht in Paris sein, wenn Consuelo verhaftet wurde. Und das würde passieren! Ganz sicher!
Doch jetzt, als ihre Augen im Kerzenlicht golden schimmerten, war er sich plötzlich über gar nichts mehr so sicher.
Sie war nicht mehr das Mädchen von damals. Sie war eine begehrenswerte Frau geworden, und sein Körper reagierte auf sie wie der eines Mannes.
Er versuchte, die Bilder aus seinem Kopf zu vertreiben. „Ohne mich warst du mit Sicherheit besser dran.“ Und das war sie noch immer.
Sie griff über den Tisch und nahm
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