Julia Extra 0357
„Es hat sich noch zugespitzt, als sie mit mir auf den Spielplatz gehen wollte und ich mich mit Händen und Füßen gewehrt habe.“
„Wie hat sie darauf reagiert?“
„Mit Kopfschütteln. Immerhin hat sie nicht versucht, mich auszuquetschen.“ Er lächelte wehmütig. „Eigentlich hat sie immer gewartet, bis ich von mir aus was sage. Leider hat sie inzwischen die Geduld mit mir verloren. Aber um auf den Film zurückzukommen: Irgendwann habe ich Nana Jo dann doch ins Vertrauen gezogen.“
„Und was hat sie gesagt?“ Elizabeth griff nach den Essstäbchen.
„Sie hat mich zur Tierhandlung gebracht und gezwungen, eine Stunde lang in der Vogelabteilung zu bleiben. Obwohl die Vögel alle in Käfigen saßen, bin ich vor Angst fast gestorben.“
„Jetzt nimmst du mich auf den Arm, oder?“
Thomas betrachtete die Gabel, die Elizabeth neben seinen Teller gelegt hatte, und griff dann nach den Stäbchen. „Sie hielt Schocktherapie für die wirksamste Methode. Dann hat sie mir einen Kakadu geschenkt.“
„Und? Hast du dein Trauma überwunden?“
„Ja. Nicht nur das. Ich bin ganz verrückt nach Hitchcockfilmen.“ Er versuchte, Hähnchen und Reis auf den Stäbchen zu balancieren. Und scheiterte. Missmutig verzog er das Gesicht.
„Wie hieß dein Kakadu?“
Sofort hellte seine Miene sich wieder auf. „Dreimal darfst du raten.“
„Hitchcock.“
„Genau! Schocktherapie.“
Darüber mussten sie beide lachen. Dann probierte Elizabeth von dem Hähnchen. Es war wunderbar scharf gewürzt, aber ein Schluck Wasser dazu wäre nicht verkehrt.
Eilig stand sie auf und eilte zum Kühlschrank. „Entschuldige, ich habe dir noch gar nichts zu trinken angeboten. Ich habe eine Flasche Cabernet Sauvignon da. Oder Diätcola.“
„Ich nehme gern ein Glas Wasser.“
„Aus der Leitung?“
„Mit zwei Eiswürfeln, falls du welche hast.“
Als sie kurz darauf mit zwei Gläsern zurückkehrte, plagte Thomas sich immer noch mit den Stäbchen. Ein Stück Huhn rutschte über sein Hemd und landete auf dem Schoß. Verlegen versuchte er, den Fleck zu entfernen. „Ich fürchte, es dauert eine Weile, bevor ich so meisterhaft mit den Dingern umgehen kann wie du“, meinte er geknickt.
Er ist wirklich süß, dachte Elizabeth. „Übung macht den Meister“, antwortete sie tröstend.
„Klar, so leicht gebe ich nicht auf. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, ziehe ich es auch durch.“
„In der Beziehung sind wir uns sehr ähnlich. Mel findet mich stur“, gab Elizabeth lachend zu.
„Das dürfte dann auch auf mich zutreffen.“ Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu.
Ihr wurde heiß. Um sich abzulenken, sagte sie: „Du hältst die Dinger falsch.“ Sie beugte sich vor und schob die Stäbchen so zurecht, dass der Mittelfinger als Hebel diente. Bei der kurzen Berührung lief ihr ein prickelnder Schauer über den Rücken. Diese Wirkung hatte auch der Kuss gestern Abend gehabt. Hastig zog sie die Hand zurück und sah auf – direkt in Thomas’ dunkle Augen. Ob er auch gerade an den Kuss dachte?
Verlegen senkte sie den Blick, schrak aber gleich wieder auf, als Thomas begeistert rief: „Jetzt klappt es.“ Stolz schob er sich ein Stück Hühnchen in den Mund.
„Sehr gut“, lobte Elizabeth.
„Ich habe ja auch eine sehr gute Lehrerin.“
Sie kräuselte die Nase. „Unsinn, du bist ein kluger Mann und hättest es dir selbst beibringen können.“
„Trotzdem hast du dir eine Belohnung verdient.“ Schon viel geschickter klemmte er das nächste Fleischstückchen zwischen die Stäbchen und hielt es Elizabeth hin.
Automatisch beugte sie sich vor und machte den Mund auf, wobei sie Thomas in die Augen schaute. Als sie das Essen auf der Zunge spürte, wurde ihr heiß. Nicht nur von den scharfen Gewürzen, sondern auch von Thomas’ begehrlichem Blick.
„Ich hätte nicht gedacht, dass dir scharfes Essen schmeckt“, sagte er leise.
„Deshalb hast du auch süßsaure Spezialitäten mitgebracht“, antwortete sie.
„Ja, sicher ist sicher.“
„Das war sehr umsichtig. Vielen Dank. Aber wie du siehst, mag ich es scharf.“ Hoppla, das klang ziemlich zweideutig. Verlegen griff Elizabeth nach dem Wasserglas. Ihr ganzer Körper schien in Flammen zu stehen.
„Wenn mein Gefühl mich nicht trügt, gibt es an dir viel mehr zu entdecken, Elizabeth Morris, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.“
Sie hielt seinen Blick fest. „Das gilt auch für dich, Thomas Waverly.“
Insgeheim wünschte sie sich, tatsächlich mit
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