Julia Extra 0357
Einschätzung. „Elizabeth probiert gern mal was Neues aus.“
„Ist sie jetzt bei dir?“
„Nana Jo!“ Bei der Vorstellung, mit Elizabeth etwas Neues auszuprobieren, meldete sich sofort seine Libido, doch Thomas ließ sich nichts anmerken. „Wir müssen morgen beide früh anfangen zu arbeiten.“
„Ich freue mich, dass ihr heiratet, statt ohne Trauschein zusammenzuziehen, mein Junge. Ich hatte schon befürchtet, das wäre inzwischen aus der Mode gekommen. Wenn man sich liebt, kann man sich doch auch das Jawort geben, oder?“
Insgeheim musste Thomas seiner Großmutter recht geben. Das erschreckte ihn so sehr, dass er das Gespräch schnell beendete.
Thomas hatte gehofft, Elizabeth noch vor dem Wochenende wiederzusehen, wurde jedoch enttäuscht. Sie telefonierten nur einige Male und korrespondierten per E-Mail. Auch seine Einladung zu einem Kinobesuch lehnte sie ab. Obwohl Hitchcocks „Vertigo“ gespielt wurde.
Schließlich hatte das Warten ein Ende. Pünktlich um neun Uhr am Freitagmorgen parkte er vor ihrer Haustür.
Elizabeth erwartete ihn bereits auf der Veranda. Weit und breit war kein Koffer zu sehen.
„Ich mag Frauen, die mit wenig Gepäck reisen. Aber einige Sachen wirst du doch brauchen, oder?“
Sie schob die Hände in die Taschen ihrer kakifarbenen Caprihose. „Ich dachte, wir könnten heute hin- und zurückfahren, statt übers Wochenende zu bleiben.“
„An einem Tag? Meine Großmutter wohnt in Charlevoix, Elizabeth.“ Die Stadt befand sich im Nordwesten der unteren Halbinsel. Normalerweise legte man die Strecke von Ann Arbor in gut vier Stunden zurück. Doch an dem freien Wochenende musste mit zusätzlichem Ausflugsverkehr gerechnet werden.
„Ich weiß, Thomas. Aber je weniger Zeit wir mit deiner Großmutter verbringen, desto weniger Fragen kann sie uns stellen. Wir können uns beim Fahren doch abwechseln“, schlug sie vor.
„Nana Jo wird ihre Fragen sowieso stellen. Wenn nicht persönlich, dann eben telefonisch.“
„Telefoniert ihr oft miteinander?“
„Fast jeden Tag. Aber ich habe sie seit Monaten nicht gesehen. Sie hat mir sehr gefehlt und ich möchte endlich mal wieder Zeit mit ihr verbringen.“
Ohne dass er es beabsichtigt hätte, wurde Elizabeth sichtlich nachgiebiger.
„Wenn du möchtest, können wir aber schon am Sonntag statt Montag zurückfahren“, schlug er vor. „Dann kannst du deine ursprünglichen Pläne fürs Wochenende doch noch umsetzen.“
„Ich wollte ja nur mit Mel und einigen anderen Freundinnen an den Strand. Nichts Besonderes.“
„Unternimmst du denn nichts mit deiner Familie?“, fragte Thomas erstaunt.
„Meine Eltern laden zum Grillfest ein – wie immer am 4. Juli.“
Sie hatte ihm nur die nötigsten Informationen über ihre Familie zukommen lassen. Thomas freute sich, nun doch noch eine weitere Kleinigkeit über sie zu erfahren. „Prima, dann kannst du daran teilnehmen. Kommt dein Bruder auch? Ross heißt er, oder?“
Traurig schüttelte sie den Kopf.
Oje, offensichtlich habe ich etwas Falsches gesagt, dachte Thomas und versuchte sofort, ihre Laune wieder zu heben. „Es gibt nichts Schöneres, als den Unabhängigkeitstag beim Grillen zu feiern.“
„Da kennst du meine Eltern schlecht.“ Elizabeth lächelte herausfordernd. „Oder hast du schon mal Tofuspieße gegessen?“
„Nicht dass ich wüsste.“
„Oder Soja-Seetang-Burger mit Fladenbrot?“
„Nein.“ Verlegen rieb er sich den Nacken. „Hoffentlich schmecken dir Nana Jos Gerichte. Sie kocht eher traditionell. Ihr exotischstes Rezept sind gebratene grüne Tomaten. Das hat sie mal im Kino gesehen.“
„Bestimmt. Ich bin ganz anders als meine Eltern“, versicherte sie ihm schnell. Fast schien es, als wollte sie sich möglichst weit von ihnen abgrenzen. Sie bat ihn ins Haus, während sie schnell ihre Sachen packte. Als Thomas ihr nur zögernd folgte, weil er fürchtete, der Hund könnte sich auf ihn stürzen, erklärte sie lachend: „Keine Angst, Mel hat Howie übers Wochenende bei sich.“
Erleichtert schlenderte Thomas ins Wohnzimmer, wo er sofort an sein Tête-à-tête mit Elizabeth erinnert wurde. Ihm wurde heiß. Nach den wohl längsten fünfzehn Minuten seines Lebens kehrte Elizabeth endlich mit einem kleinen Rollkoffer zurück.
„Viel hast du ja nicht eingepackt“, meinte er.
„Zwei Paar Shorts, zwei Blusen und Nachtwäsche nehmen nicht viel Platz weg. Du hast mir ja keine Kleidervorschriften gemacht.“
„Es gibt ja auch keine. Meine Großmutter
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