Julia Extra 0357
seinem Privathandy aus an – mitten in einer Konferenzschaltung mit dem Projektteam in Hongkong.
„Hallo?“ Sie antwortete nach dem dritten Klingeln und klang definitiv genervt.
Warum er das dennoch reizend fand, war ihm absolut unklar.
„Du hast meinen Schlosser weggeschickt.“
„Genau genommen hat das deine Assistentin gemacht. Ich bin nicht an die Tür gegangen.“
„Warum nicht?“
„Ich dachte, es wäre ein Reporter.“
Neo unterdrückte das Stöhnen. Wie hatte er so dumm sein können? Das hätte er sich doch denken müssen! „Ich meinte, warum hast du ihn wegschicken lassen?“
„Warum hast du mich nicht vorher gefragt, ob ich meine Schlösser austauschen lassen will?“
„Es ist notwendig. Du vergisst, deine Türen abzuschließen.“
„Ich vergesse es nicht, sondern ich lasse die Tür absichtlich offen, wenn ich jemanden erwarte.“
„Das macht es nicht viel besser.“
„Falls es dich beruhigt … ich gedenke nicht, meine Tür in nächster Zeit unverschlossen zu lassen. Ich habe keine Lust, dass ein Reporter plötzlich ungebeten in meinem Haus steht.“
„Wenn man deine Abneigung gegenüber Fremden bedenkt, gehst du viel zu lax mit deiner Sicherheit um. Der Schlosser war so oder so nur eine provisorische Lösung. Du brauchst das volle Sicherheitsprogramm.“
„Nein.“ Nicht das geringste Wanken lag in ihrer Stimme.
Aber Neo hatte schon mit wesentlich härteren Verhandlungspartnern zu tun gehabt. „Sieh es als Geschenk an, weil du mich in dein Heim eingelassen hast.“
„Heißt das, es geht hier um deine Sicherheit?“
„Würde es dich überzeugen, wenn es so wäre?“
„Für einen ehrlichen Mann verstehst du erschreckend gut zu manipulieren.“
„Danke.“
„Ich lasse keine Fremden in mein Haus.“
„Ich war auch ein Fremder.“ Neo dachte daran, dass Zephyr ihn gewarnt hatte, seine Ungeduld könnte ihm irgendwann zum Problem werden. Es war nicht das erste Mal, dass sein Freund recht behielt.
„Nicht ganz. Erstens: Ich war auf einen neuen Schüler eingestellt. Zweitens: Ich hatte mich über dich informiert. Und drittens … mein Manager hat mit seiner Kündigung gedroht, falls ich mich weigere, die Stunden zu geben.“
„An mich hast du dich doch sehr schnell gewöhnt. Du wirst auch mit dem Sicherheitsberater fertig.“
„Nein.“
„Cassandra, du bist unvernünftig.“
Sie lachte auf, entnervt und amüsiert zugleich. „ Ich bin unvernünftig?“
„Das Ganze dauert maximal eine Stunde. Der Mann wird sich nach deinen Terminen richten.“
„Ich will ihn nicht sehen.“ Sie klang sehr entschieden.
„Cassandra, so sei doch vernünftig.“ Ihr Schweigen sagte mehr als jedes Wort, und Neo musste zugeben, dass es an ihm nagte.
„Wenn du so besorgt bist“, kam es schließlich durch die Leitung, „können wir deine Stunden auch im Tonstudio abhalten.“ Cass schwieg wieder, dachte offensichtlich über den eigenen Vorschlag nach. „Ja, das würde gehen.“
„Ich will meine Klavierstunden nicht in deinem Aufnahmestudio nehmen.“
„Und ich will keinen Fremden in meinem Haus haben.“
Die wachsende Erregung, die er in ihrer Stimme hören konnte, beunruhigte ihn. Es war nicht seine Absicht, seine schüchterne Musikliebhaberin aufzuregen. „Wenn ich die Sicherheitsberatung übernehme, würdest du dich dann einverstanden erklären?“, überraschte er sich selbst mit seiner Frage.
Seine Assistentin wohl auch, ihrer verblüfften Miene nach zu urteilen.
Für ihren Manager war Cassandra gestern nicht aus dem Bad gekommen, aber Neo zuliebe schon. Es sollte nichts Besonderes für ihn sein, schließlich war er daran gewöhnt, dass Angestellte und Geschäftspartner ihm trauten. Dennoch würde es ihm etwas bedeuten, wenn Cassandra ihm ihr Vertrauen schenken könnte.
„Du als Sicherheitsberater? Nein. Du bist viel zu beschäftigt.“ Sie holte hörbar Luft. „Hör zu, ich … ich bitte meinen Manager. Er sagt, dass diese Unterrichtsstunden meiner Karriere guttun würden, obwohl ich bis zu dem Fiasko gestern nicht wusste, was er damit meinte. Bob kann das übernehmen.“
Amüsiertheit mischte sich mit einer für Neo ganz und gar untypischen Geduld – er hatte sie also so durcheinandergebracht, dass sie akzeptierte. Er selbst musste allerdings auch ziemlich durcheinander sein, denn er wollte nicht, dass Bob derjenige war, der ihr half. Obwohl er vor gerade einmal fünfzehn Minuten noch selbst an diese Möglichkeit gedacht hatte. „Willst du nicht dabei
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