Julia Extra 0357
ich Vorschläge einbringe?“
Jetzt wäre ein „Natürlich“ angebracht, doch Cass wollte Cole Geary nicht in ihrem Haus haben, ganz egal, wie freundlich er schien und ob er ein Fan von ihr war oder nicht. Anstatt seine Frage zu beantworten, sprudelte sie heraus: „Ich will keine Gitter vor den Fenstern.“ Sie schränkte sich selbst bereits genug ein.
„Wie schon gesagt …“
„Ja, natürlich“, mischte Neo sich ein und legte Cass die Hand auf den Rücken. „Zeigen wir Cole doch den Rest des Hauses.“
Cass sah Neo an, flehte lautlos um Verständnis für die Emotionen, die in ihr tobten. Seit ihrer Kindheit plagten und beschämten sie sie. Der einzige Therapeut, den sie auf Drängen ihres Vaters konsultiert hatte, hatte ihr auch nicht helfen können. Allerdings hatte sie damals Methoden erlernt, um mit der Angst besser umzugehen. Der Mann hatte ihr erklärt, dass das Aufwachsen mit einer schwerkranken Mutter im Haus und der Druck der Konzertauftritte von Kindheit an ihre natürliche Schüchternheit potenziert hatten. Zumindest war das seine Theorie.
Ihr war gesagt worden, dass sie an einer milden Form von Agoraphobie litt, doch wenn sie daran dachte, was es ihr abverlangte, einem Sicherheitsberater ihr Haus zu zeigen, fragte sie sich, wie mild diese Phobie wirklich war. „Bob hätte das übernehmen sollen.“
„Vertrau mir, Cassandra.“ Neo richtete seine Aufmerksamkeit allein auf sie. „Du und ich, wir machen das zusammen.“
„Ich stelle mich dumm an“, murmelte sie. Auch wenn es stimmte … sie machte sich ungern selbst nieder.
Neo schüttelte den Kopf. „Das ist die Welt, in der du lebst. Wenn du mir vertraust, wirst du sehen, dass es nichts gibt, weshalb du dir Sorgen machen musst.“
„Das sagte mein Vater auch immer.“ Bevor er sie gezwungen hatte, auf die Bühne zu gehen – und ihr damit keine andere Wahl gelassen hatte, als sich in ihrer Musik zu verlieren oder verrückt vor Angst zu werden. Noch heute brach Cass der kalte Schweiß aus, wenn sie an die gesichtslosen Massen in den ausverkauften Konzertsälen dachte. Die vielen Menschen, die gekommen waren, um das Wunderkind spielen zu hören. Musik war immer eine sehr persönliche Sache für sie gewesen, die Musik hatte ihr geholfen, der Realität mit einer kranken Mutter und einem Vater, den das Gefühl der Hilflosigkeit mürrisch machte, zu entfliehen.
„Davon kannst du mir später erzählen.“ Ernste grüne Augen musterten sie. „Dir sollte klar sein, dass ich nicht dein Vater bin.“
„Ja, ich weiß.“ Die Gefühle, die sie in Neos Nähe empfand, waren völlig anderer Natur. Und er spornte sie auch nicht an, vor einem riesigen Publikum aufzutreten. Cass atmete tief durch. „Na schön, zeigen wir ihm das Haus.“
Neo sah zu Cole. „Gehen wir.“
Der Sicherheitsberater nickte nur, ohne Cass einen von diesen argwöhnischen Blicken zu schicken, die sie normalerweise erhielt, wenn ihre Einschränkungen anderen deutlich wurden. Cass war so erleichtert, dass sie ihn schüchtern anlächelte.
Es war Neo, der die Hausbesichtigung leitete, obwohl er eigentlich nur ihre Eingangsdiele und das Musikzimmer kannte. Und er machte es perfekt.
Beim ersten Blick auf die alten Doppeltüren im Ess- und im Schlafzimmer, die vom Garten aus zu erreichen waren, verzog Cole das Gesicht. „Die sollten auf jeden Fall gegen metallverstärkte Türen mit Sicherheitsglas ausgetauscht werden.“
Ohne dass es ihr bewusst wurde, griff Cass nach Neos Arm. „Ist das wirklich nötig?“
„Du wirst den Tag mit mir verbringen, wenn sie die neuen Türen einbauen.“
Das war nicht ihre Frage gewesen, aber das Angebot hätte sie auch nicht so erleichtern dürfen. Neo war ihr Schüler, kein Freund oder Beschützer, und doch fühlte sie sich in seiner Gegenwart so sicher wie seit Jahren nicht mehr. Vielleicht sicherer, als sie sich je gefühlt hatte. Ein schwer verdaulicher Gedanke. In knapp einem Jahr, wenn sein Unterricht beendet war, würde Neo ohne einen Blick zurück aus ihrem Leben verschwinden. Sie allerdings bezweifelte, dass die Bekanntschaft mit ihm spurlos an ihr vorübergehen würde.
„Da wird sich deine Assistentin bestimmt freuen. Sie mag mich nämlich nicht“, sagte sie spitz, um ihre Erleichterung zu überspielen. Sie konnte sich eigentlich nicht vorstellen, einen ganzen Tag einem energiegeladenen Milliardär hinterherzulaufen. Doch zum ersten Mal dachte sie, dass das nicht hieß, dass sie es nicht zumindest ausprobieren
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