Julia Extra 260
worden war. Die Maschine sollte gleich nach dem Abendessen starten. Doch Theo brachte es nicht übers Herz, Miranda die gute Laune zu verderben. Wer konnte voraussagen, wie sie darauf reagieren würde, die Nacht allein verbringen zu müssen. Er nahm sich vor, ihr erst nach dem Abendessen zu erzählen, dass er Dimitri aufsuchen wollte.
Miranda war froh, von Theo nicht immer wieder ermuntert zu werden, doch noch ein Glas Wein zu trinken. Er selbst hatte den ganzen Abend noch keinen Alkohol angerührt. Offensichtlich wollte er einen klaren Kopf behalten. Allerdings bestand ihr Mann darauf, sie mit Köstlichkeiten zu füttern. Die mundgerechten Häppchen waren genauso unwiderstehlich wie Theos Blicke. Wenn er ihre Lippen unabsichtlich mit den Fingerspitzen streifte, löste diese Berührung ein sehnsüchtiges Prickeln in ihrem ganzen Körper aus.
„Was kommt denn jetzt?“, fragte sie, als der Steward einen flachen Brenner auf den Tisch stellte und die Flamme entzündete. Wie viele Gänge wurden noch serviert, bevor sie sich endlich wieder mit Theo in die Suite zurückziehen konnte? Miranda war sich ihrer Unersättlichkeit bewusst, konnte daran aber nichts ändern. Warum auch? „Haben wir nicht schon genug gegessen?“
„Nein, die Krönung fehlt schließlich noch. Wieso? Hast du noch etwas vor?“
Sie sah ihn nur vielsagend an.
Theo ließ sich nichts anmerken. „Die ganze Arbeit bleibt jetzt an mir hängen“, sagte er gelassen und zog sich das Jackett aus.
„Musst du dir etwa die Hände schmutzig machen?“, fragte Miranda neckend, als er die Manschettenknöpfe ablegte und die Hemdsärmel hochkrempelte.
Als Nächstes wurde eine Platte mit frischem Obst serviert: Erdbeeren, Mangos, Birnen, Ananas und knackige Apfelschnitze. Alles mundgerecht geschnitten, damit man die Stücke in warme Schokoladensauce tauchen konnte.
„Oh …“ Miranda ahnte, was nun kam. Sie würden sich beide mit Schokolade bekleckern, Theo würde Schokoladentropfen von ihrem Kinn mit dem Finger auffangen und ablecken. Wie sollte sie dabei vor der Mannschaft vornehm zurückhaltend bleiben?
Theo beglückwünschte sich zu der Idee, ein Schokoladenfondue servieren zu lassen. Erleichtert hatte er beobachtet, wie Miranda sich immer mehr entspannte. Sie sollte ihren Spaß haben, schließlich befanden sie sich auf Hochzeitsreise. Wenn man den neuesten Verlautbarungen von Dimitris Ärzten Glauben schenken wollte, war es mit dem Spaß sowieso bald vorbei.
Doch noch saß Theo mit seiner Frau in einträchtigem Schweigen beim Kaffee und wartete auf ein Zeichen des Kopiloten.
Miranda wünschte sich, dieser Abend möge nie zu Ende gehen. Das Meer war spiegelglatt, sanft schlugen die Wogen an den Bug. Über ihnen nur der funkelnde Sternenhimmel. Sie war glücklich, mit Theo auch schweigen zu können. Das war ein gutes Zeichen. Als der Steward frischen Kaffee brachte, stieß sie die Tasse versehentlich mit der verletzten Hand um.
Bevor der Steward den Schaden beheben konnte, machte Theo ihm ein Zeichen, sich zurückzuziehen, und half Miranda selbst, die Kaffeepfütze aufzuwischen. „So, alles wieder in Ordnung“, sagte er schließlich und schenkte ihr frischen Kaffee ein. „Wie ist es eigentlich zu der Verletzung gekommen? Das hast du mir noch gar nicht erzählt.“
Die Frage kam so unvermittelt, dass Miranda zusammenzuckte. Am liebsten hätte sie nie wieder über den Unfall gesprochen, doch Theo wollte sie die Wahrheit nun anvertrauen. Früher oder später musste er es ja doch erfahren. „Es ist nach einemKonzert passiert. Ich war noch ganz beseelt von dem Applaus des Publikums und hatte auch einige Gläser Champagner getrunken. Der Mann, der mir anbot, mich mitzunehmen, hatte leider auch getrunken. Wenn ich nicht so überdreht gewesen wäre, hätte ich merken müssen, dass er nicht mehr nüchtern war.“
„Er hätte gar nicht fahren dürfen.“
„Ich weiß, und ich hätte auf ein Taxi warten sollen.“ Sie verzog das Gesicht. „Hinterher ist man immer schlauer.“
„Stimmt. Wenn man alles vorher wüsste, könnte man sich einiges ersparen.“
„Du hast völlig recht, Theo, aber so funktioniert das Leben nun mal nicht – leider. Jedenfalls hat der Fahrer den Unfall nicht überlebt, und ich bin schuld daran.“
„Wie kann es deine Schuld gewesen sein? Der Mann war doch betrunken.“
„Ja, das stimmt.“ Sie biss sich auf die Lippe. „Aber ich habe ihn abgelenkt.“
„Wie? Wer war der Typ?“
„Er war mein Professor an der
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