Julia Extra 260
Musikhochschule. Dann gab es noch meinen Manager. Nach dem Unfall fand ich heraus, dass beide Männer mich für ihre eigenen Zwecke ausgenutzt hatten. Der Professor wollte mich ganz für sich haben. Ich sollte nur tun, was er mir sagte. Er wollte über mein Leben und meine Karriere bestimmen.“
„Und dein Manager?“
Miranda lächelte traurig. „Als er nach dem Unfall wegen der Verletzung nichts mehr an mir als Violinistin verdienen konnte, hat er meine ‚tragische Geschichte‘ an die Medien verkauft.“
„Darauf hattest du sicher nur gewartet“, sagte Theo sarkastisch.
„Ich war außer mir.“ In Gedanken war Miranda ganz weit weg.
„Und dein Lehrer starb bei dem Unfall? Das muss ja schrecklich gewesen sein für dich.“ Irgendwas stimmt da nicht, dachte Theo. Er spürte, dass dies nicht die ganze Wahrheit war. Plötzlich bekam er Angst. Was verbarg Miranda vor ihm?
Miranda konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart und sah Theo ernst an. „Es war eine ganz furchtbare Erfahrung. Ich war beiden dankbar dafür, dass sie meine Karriere gefördert hatten, aber ich wollte mich nicht von ihnen manipulieren lassen. Und dann starb der eine meinetwegen, und der andere hatmich hintergangen.“
Das klang alles ganz plausibel, doch war das auch die ganze Wahrheit? Theo hatte seine Bedenken. „Wie hat deine Familie die Sache mit dem Unfall aufgenommen?“
„Meine Familie?“ Miranda zögerte. Sie hatte ihren Eltern und Emily nie die ganze Geschichte erzählt. Das hatte sie einfach nicht übers Herz gebracht. „Sie …“ Doch sie litt sehr unter diesem Versteckspiel.
„Sie wissen aber Bescheid, oder?“
„Selbstverständlich.“
„Hast du ihnen alles gesagt? Die ganze Wahrheit? Wissen sie, dass du nie wieder Konzerte als Violinistin geben kannst?“
„Natürlich. Bitte, Theo …“ In seinem Blick spiegelte sich tiefstes Verständnis für ihre Pein. Trotzdem bezweifelte sie, dass Theo nachvollziehen konnte, wie sie sich fühlte. „Oh, da kommt der Steward.“ Sie war unendlich froh über die Ablenkung.
„Verzeihung, Sir, aber dieses Fax ist gerade für Kyria Savakis eingetroffen.“
„Das ist das königliche Wappen von Ferara!“, rief sie erfreut, als der Steward ihr das Schreiben reichte. „Emily hat geschrieben. Entschuldigst du mich bitte kurz?“ Sie stand auf und entfernte sich einige Schritte, um in Ruhe das Fax lesen zu können.
Ungeduldig wartete Theo auf ihre Rückkehr. Er hätte sich ja denken können, dass Emily alles stehen und liegen lassen würde, damit sie sich ganz dem Ehevertrag ihrer Schwester widmen konnte. Fast beneidete er Miranda um ihre Familie, die offensichtlich immer für sie da war. Zwischen den Zwillingsschwestern gab es sowieso ein unsichtbares Band. Vermutlich wusste die eine immer ganz genau, was die andere gerade tat. Ob Emily schon Alessandros Garde in Alarmbereitschaft versetzt hatte, um Miranda zu Hilfe zu eilen?
Familienzusammenhalt ließ sich nicht erkaufen, das wusste Theo. Als seine Eltern beim Absturz ihres Sportflugzeugs ums Leben gekommen waren, hatte Dimitris Stab die Erziehung des kleinen Jungen übernommen. Dimitri selbst hatte sich im Hintergrund gehalten. In den Augen des heranwachsenden Jungen hatte der finstere, undurchschaubare Mann nur einen Vorteil: die schönen Frauen, die regelmäßig an seinem Arm hingen …
Theo hatte somit kein nennenswertes Familienleben gehabt. Bevor er Miranda kennenlernte, hatte er sich völlig auf die Führung des Unternehmens konzentriert. Unter seiner Leitung war es gewachsen und gediehen. Das war allein sein Verdienst. Was wäre er ohne die Firma?
Er ließ den Blick zu Miranda gleiten und empfand Neid. Sie hatte sich ihm halb zugewandt, als sie das Fax noch einmal überflog. Ihrer strahlenden Miene war nur zu deutlich zu entnehmen, dass Miranda – zumindest symbolisch – in den Schoß ihrer Familie zurückgekehrt war. Theo selbst hatte sich immer mehr von seiner Familie entfernt.
Ohne das Unternehmen wäre er ein Nichts, und was wäre er erst ohne Miranda?
11. KAPITEL
Emilys Fax war Miranda ein großer Trost, nachdem Theo darauf bestanden hatte, alles über den Unfall zu erfahren. Natürlich war sein Versuch richtig gewesen, die ganze Geschichte aus ihr herauszuholen, damit sie die Geschehnisse besser verarbeiten konnte. Aber es war ihr schwergefallen, über den tragischen Tod ihres Professors, die schrecklichen Folgen ihrer eigenen Dummheit und über die Entschlossenheit zweier Männer, ihren
Weitere Kostenlose Bücher