Julia Extra 260
über viel Geld verfügen. Allerdings würde sie sich immer an ihre Herkunft aus armen Verhältnissen erinnern und daran, dass ihr Schwager ihr eine kostbare Geige geschenkt hatte. Ohne dieses Instrument hätte sie niemals eine so steile Karriere gemacht. Nun kann ich mich revanchieren, indem ich andere begabte junge Menschen fördere, dachte Miranda glücklich. Das alles hatte sie ihrem geliebten Theo zu verdanken.
Er lehnte an der Reling und sah aufs Meer hinaus. Als sie die letzten Stufen heraufkam, wandte er sich um, als hätte er ihre Ankunft gespürt. Einige Momente lang sahen sie einander tief in die Augen. Zwischen den beiden Menschen bestand eine starke und einmalige Verbindung.
Offensichtlich erfreute es ihn, wie viel Mühe sie sich heute Abend mit ihrer Erscheinung gegeben hatte. Theo vermittelte ihr das Gefühl, die einzige Frau auf der Welt zu sein. Auch er hatte sich für elegante Abendgarderobe entschieden.
Mirandas bodenlanges Abendkleid war aus blaugrauer Seide. Um die Schultern hatte sie einen wunderschönen, mit Perlen bestickten Schal drapiert, der sie vor der kühlen Abendbrise schützen sollte, die manchmal um diese Zeit aufkam. Jedenfalls benutzte Miranda keine Schals mehr, um ihre Verletzung zu verbergen. Dank Theo schämte sie sich ihres Armes nicht mehr.
„Hast du Hunger?“
Die unschuldige Frage zauberte ein wissendes Lächeln auf Mirandas Lippen. Als Theo die Frage zum ersten Mal gestellt hatte, war das Essen unberührt geblieben. „Ich sollte wohl etwas essen“, antwortete sie vorsichtig.
„Ich auch. Schließlich brauche ich neue Kräfte.“
„Tatsächlich?“, fragte sie anzüglich.
Theo lächelte frech, hakte sie ein und begleitete sie zu Tisch. Unterm Sternenhimmel nahmen sie Platz.
Bewundernd sah sie ihren Mann an. Er hatte eine so sinnliche Ausstrahlung. Wenn sie in seiner Nähe war, überlegte sie immer, wie lange es dauern würde, bevor er sie wieder in sein Bett zog …
„Wir dürfen den Koch nicht noch einmal enttäuschen“, sagte er leise, als hätte er ihre Gedanken erraten. Offenbar konnte er in ihr lesen wie in einem Buch. „Obwohl mir das heute Abend besonders schwerfällt. Du siehst bezaubernd aus, Liebling.“ Zärtlich küsste er die verletzte Hand, und Miranda fühlte sich schön.
Auf der edlen weißen Damasttischdecke glitzerten schwere Kristallgläser. Die Mitte der Tafel zierte ein zwölfflammiger Artdéco-Leuchter, dessen Ständer in Form einer Nackten in lasziver Pose gestaltet war. Es war das erotischste Beispiel der Silberkunst, das Miranda je gesehen hatte.
„Ist sie nicht hinreißend?“, fragte Theo stolz, als er ihren interessierten Blick bemerkte.
„Du hast wirklich Glück, solche Schätze zu besitzen.“
Theo sah ihr nur tief in die Augen. Miranda begann sich schon zu fragen, ob sie die neueste Errungenschaft seiner Kunstsammlung war: Miranda Weston, Geigerin, die eine – abrupt beendete – Blitzkarriere hingelegt hatte. Das war doch durchaus sammelwürdig.
Miranda ärgerte sich über sich selbst, konnte sich die Frage aber trotzdem nicht verkneifen: „Warum bist du eigentlich so lange Junggeselle geblieben und hast mich dann innerhalb von Stunden nach unserem ersten Zusammentreffen gebeten, deine Frau zu werden?“
„Hast du noch nie von Liebe auf den ersten Blick gehört?“
Miranda lächelte, und Theo bemerkte erleichtert, dass sie sich wieder entspannte. Doch ihre Frage hatte ihn nervös gemacht. Dabei liebte er Mirandas direkte Art. Sollte er die Wahrheit sagen?Auf keinen Fall! Dann hätte er gestehen müssen, dass er unter großem Zeitdruck eine Braut hatte finden müssen und dass die schöne, verletzliche Miranda Weston gerade rechtzeitig in sein Leben getreten war. Wenn er jetzt alle seine Gründe für die Blitzhochzeit enthüllte, würde Miranda ihm niemals glauben, dass er sich tatsächlich unmittelbar nach ihrem ersten Zusammentreffen in sie verliebt hatte.
„Ach, wie herrlich! Es gibt Vichyssoisse. Ich liebe diese eisgekühlte Suppe.“ Theo war sehr erleichtert, als der Steward genau im passenden Moment die Vorspeise servierte. „Richten Sie dem Chefkoch bitte meinen Dank aus, Marco.“
„Sehr wohl, Sir.“
„Möchtest du dazu ein Glas Champagner trinken?“, fragte Theo, der sich wieder seiner Frau zugewandt hatte.
„Oh ja, bitte, das wäre sehr schön.“ Sie lächelte strahlend.
Wie gern hätte er ihr erzählt, dass der Hubschrauber aufgetankt und der Flug zum Anwesen der Familie Savakis angemeldet
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