Julia Extra 260
Rettungsweste überstreifte.
„Was hast du vor?“, rief sie ihm zu.
Er drehte den Kopf. „Ich fahre mit der Crew hinaus.“
Beim Anblick der hohen Wellen weiteten sich ihre Augen voller Angst. „Da hinaus? Nein, das machst du nicht!“
„Doch, das werde ich. Ich habe es mit dem Chef abgesprochen.“
„Es ist zu gefährlich da draußen für uns.“
Die Tatsache, dass er zuerst mit dem Chef und nicht mit ihr gesprochen hatte, machte sie wütend. Sie arbeiteten immer als Team, und auch wenn Seans Erfahrung in Krisensituationen die ihre bei weitem überstieg, hätte er sie mit einbeziehen können. Es verletzte sie, und ihr kam es vor, als stehe sein Versäumnis in direktem Zusammenhang mit den vorausgegangenen Problemen.
„Nicht wir fahren mit, nur ich.“ Er hob die Kamera vom Boden.
Ihr Herz schlug wie verrückt. „Das kannst du nicht machen, Sean.“
„Das ist unser Job, erinnerst du dich? Ich werde die Crew dabei filmen, wie sie nach der Sally Ausschau halten.“
„Unser Job.“
„Ja, unser Job.“ Er lehnte die Kamera gegen seine Hüfte und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Ich mache es, weil ich dafür bezahlt werde. Und komm nicht auf die Idee, mitkommen zu wollen, das werde ich auf keinen Fall zulassen. Es ist meine Aufgabe, auf dich aufzupassen.“
Das hatte er immer getan. Sie waren ein Team, Partner. Oder zumindest gewesen. Bevor sie alles kaputt gemacht hatte.
„Sei vorsichtig“, sagte sie.
„Bin ich doch immer.“
„Nein, ich meine noch vorsichtiger als sonst.“
Er blieb noch einen Moment stehen und machte sich dann auf den Weg zu dem signalroten Boot.
Sie lief ihm hinterher, und der Wind trug ihre Worte zu ihm hinüber. „Ich liebe dich.“
Sean senkte den Kopf und drehte sich dann zu ihr um. „Ich weiß“, rief er. „Das sagtest du mir bereits.“
„Ich habe es dir nicht auf die richtige Art und Weise gesagt“, schrie sie gegen das Tosen des Meeres an. Ihre Stimme zitterte.
Sean nickte nur, die Miene weiter unbewegt. „Sag es mir später.“
Maggie blickte dem Boot hinterher, bis sie das Wort „Rettung“ darauf nicht mehr lesen konnte.
Erst nach einer halben Stunde ging sie zurück ins Gebäude, völlig durchnässt und mit tropfender Nase. Ohne ihn dort am Dock zu stehen hatte in ihr ein nie gekanntes Gefühl von Einsamkeit ausgelöst, und eine Sehnsucht nach der Gesellschaft von Menschen, die das verstanden.
Sie nahm sich einen Becher Tee, setzte sich an den Tisch und hörte den Geschichten zu. Man sprach über die Kinder, Angebote im Supermarkt und davon, wer wohin in den Urlaub gefahren war. Ein ganz normales Gespräch über normale Dinge. Aber Maggie wusste, dass alle mit ihren Gedanken in Wirklichkeit ganz woanders waren.
„Wo ist denn der gut aussehende Kameramann geblieben?“, fragte Thelma, Mike McCabes Frau.
„Er ist mit dem Rettungsboot hinausgefahren.“
„Bei diesem Sturm? Ist er von Sinnen?“
„Das frage ich mich manchmal auch“, seufzte Maggie, und es war deutlich herauszuhören, dass sie sich Sorgen machte.
Die ältere Frau drückte beruhigend Maggies Hand. „Er wird seine Sache gut machen. Die Jungs wissen genau, was sie tun.“
„Aber wie machen Sie das bloß? Zuschauen, wie die Männer, die Sie lieben, bei diesem Wetter hinausfahren?“
Thelma lehnte sich zurück und zuckte die Schultern. „Sie tun das, was sie tun müssen. Alle haben eine Familie, die sie zu ernähren haben. Zufällig ist es eben ihr Job, bei jedem Wetter aufs Meer zu fahren.“
Maggie nickte verständnisvoll.
„Aber vielleicht habe ich mich mit der Zeit auch schlicht daran gewöhnt“, fuhr Thelma fort. „Am Anfang, im ersten Jahr unserer Ehe konnte ich nicht einschlafen, ehe mein Mann nicht wieder neben mir lag.“
Maggie konnte ihre Besorgnis nur zu gut nachvollziehen. „Wahrscheinlich haben Sie sich auch überlegt, ob es nicht einfacher gewesen wäre, sich in jemand zu verlieben, der einen anderen Job hat, nicht wahr?“
„Tja, aber man kann es sich eben nicht aussuchen, in wen man sich verliebt“, erklärte sie schmunzelnd. „Du bist einfach dankbar, dass du ihn gefunden hast, und hältst ihn so fest du kannst. Gott bewahre mich davor, dass er nicht zurückkommt, aber auch wenn das passierte, wollte ich zu keiner Zeit tauschen.“
„Sie lieben ihn sehr.“
„Das tue ich.“ Thelmas Augen strahlten. „Er ist mein bester Freund, war immer für mich da, auch in den schlechten Zeiten, und ohne einander wären wir gar nichts. Wir haben
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