Julia Extra 260
einverstanden gewesen, dass sie ohne ihn ins Ausland reiste, aber davon abgesehen hätte sie sofort eine Karriere als Model beginnen können.
Sein Blick schweifte zurück zu der Anzeige. Und erst jetzt fiel es ihm auf. Die Worte unter der Anzeige verschwammen vor seinen Augen.
Und versetzten ihm einen heftigen Schock.
Vanessa hängte die Rolle an den Farbeimer und betrachtete ihr Werk. Ein kleines Lächeln erhellte ihr Gesicht.
Durch die letzten Strahlen der Vormittagssonne wirkten die hellgelben Wände des Zimmers besonders freundlich und heiter. Einen Moment stand sie still und bewunderte die Verwandlung der bisher dunklen Wände. Natürlich war es ein ehrgeiziges Projekt, in ihrem Zustand die Wände zu streichen, aber wenn sie es jetzt nicht tat, würde sie es nie tun. Sobald die Wände fertig waren, konnte sie sich den Teppich liefern lassen und die neuen Möbel. Glücklicherweise war der Rest des Hauses nicht renovierungsbedürftig. Direkt nach dem Kauf war sie eingezogen.
Ein Haus finden, den Kauf abschließen, einzuziehen und zu renovieren hatte in den letzten Wochen all ihre Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Dafür war sie dankbar. Beschäftigung war lebenswichtig.
Soweit sie überhaupt zu positiven Gefühlen in der Lage war, freute sie sich über ihr neues Heim. Sie kannte das Küstenstädtchen Teymouth von früher, hier hatte sie die Ferien mit ihren Großeltern verbracht. Ihr gefiel der etwas angestaubte Charme der Gegend, es war, als wäre die Zeit hier stehen geblieben. In den Sommermonaten belagerten Touristen den Sandstrand und planschten im Ärmelkanal. Doch ihr Haus lag in einer ruhigen Seitenstraße, fünf Minuten Fußmarsch vom Strand entfernt. Deshalb war die obere Wohnung des Hauses auch stets an Urlauber vermietet worden.
Die bisherigen Eigentümer hatten bereits Reservierungen für den Sommer vergeben. Aber das störte Vanessa nicht. Da sie für den Kauf des Hauses keinen Kredit hatte aufnehmen müssen, konnte sie die Einnahmen aus der Vermietung nun sehr gut für ihren Lebensunterhalt gebrauchen. Zusammen mit dem übrig gebliebenen Geld aus dem Erbe ihrer Großeltern und dem Lohn von den Jobs als Model würde sie ganz gut zurechtkommen.
Als sie Pinsel und Rollen ausgewaschen hatte, war es Zeit für das Mittagessen. In der Küche machte sie sich einen Salat und ein Sandwich. Es war ein einfaches Essen, gesund und nahrhaft und alles, was sie brauchte. Ausgefallene Gourmetessen gehörten der Vergangenheit an. Anschließend stellte sie alles zusammen mit einem Glas Orangensaft auf ein Tablett und trug es ins Wohnzimmer.
Ich habe so großes Glück gehabt.
Die Worte waren eine Herausforderung, ein Widerspruch, aber auch eine Erinnerung. Sie hatte Glück gehabt – Glück, die letzen Monate erlebt haben zu dürfen. Für immer und ewig würden sie die wunderbarste Zeit ihres Lebens bleiben.
Ich muss die guten Momente sehen, nur die guten.
Wenn sie mit Verbitterung an die Zeit zurückdachte, würde der Schmerz nur schlimmer werden. Ihr Herz war gebrochen, aber irgendwann würden die heftigsten Schmerzen verschwinden. Sie würden verschwinden müssen, denn jener Teil ihres Lebens war vorüber. Und würde nie wiederkommen.
Doch obwohl ihr Verstand wusste, dass es die Wahrheit war, wollte ihr Herz es nicht akzeptieren. Wie der Pol eines Magneten immer seinen Gegenpol anzog, kehrte ihr Herz wieder und wieder zu dem Grund ihres Elends zurück.
Zu Markos – dem Mann, den sie geliebt hatte. Und der ihre Liebe nicht erwidert hatte.
Man kann Liebe nicht erzwingen – es war nicht seine Schuld, dass er mich nicht geliebt hat.
Doch noch während sich diese Worte in ihrem Kopf formten, stiegen andere Gedanken in ihr auf.
Trotzdem hätte er mir sagen müssen, dass er heiraten will. Er hätte den Mut haben sollen, den Anstand, zumindest das zu tun …
Und noch mehr Gedanken strömten auf sie ein, weder versöhnlich noch verurteilend, sondern resigniert. Es waren die Wahrheiten, die sie nicht hatte sehen wollen, die ebenso ungebeten waren wie der Besuch von Constantia Dimistris in Markos’ Apartment.
Männer wie Markos Makarios verlieben sich nicht in die Frauen, die sie sich als Geliebte halten. Und sie halten es nicht für notwendig, sie über ihre bevorstehende Hochzeit zu informieren.
Denn eine Geliebte hat nichts mit Liebe und Respekt zu tun. Sie ist allein für Sex und Vergnügen zuständig.
Sonst nichts.
Vanessa schloss die Augen, als könnte sie zusammen mit dem Tageslicht auch die
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