Julia Extra 360
seiner Familie zu schwärmen. Nach kurzer Zeit hörte Finn nicht mehr zu, sondern überlegte, wo er diesen liebevollen und stolzen Ausdruck schon einmal gesehen hatte, der das Gesicht seines alten Freundes geradezu strahlen ließ.
Dann fiel es ihm ein: Ellie hatte vorhin so ausgesehen, als sie ihm von Jiao erzählt hatte. Offensichtlich liebte sie das kleine Mädchen.
Sie würde, auch wenn sie selbst Zweifel geäußert hatte, eine wunderbare Mutter sein, da war er sich sicher. Ein Kind, das von ihr betreut, nein, geliebt wurde, konnte sich glücklich schätzen.
Plötzlich wurde er ein bisschen neidisch auf Charlie, den glücklichen Familienvater. Er selbst würde bald schon wieder von Ellie geschieden sein und keine Fotos vorzuweisen haben.
Und keine schönen Erinnerungen.
Aber vorher konnte er noch eines für Jiao tun. Und für Ellie.
Er konnte seinen Teil dazu beitragen, die Kleine aus China zu holen. Nach Hause.
12. KAPITEL
Am Freitagmorgen lenkte Ellie sich von ihren Sorgen ab, indem sie ihre Maisonettewohnung gründlich putzte. Jiao ging es gut, wie sie durch ein Telefonat erfahren hatte, zumindest gesundheitlich. Seelisch war es bestimmt nicht gut für die Kleine, immer noch sozusagen im Niemandsland zu verharren.
Wenn Ellie nicht darüber grübelte, dachte sie an Finn. Eine Weile hatte sie geglaubt, zwischen ihnen würde sich eine echte Beziehung entwickeln, aber beim letzten Treffen hatte er deutlich klargemacht, dass ihm daran nichts lag.
Heute mussten sie den Besuch der Leute von der Adoptionsbehörde überstehen, am Dienstag waren die Pläne für das Piedmont Hospital fällig, danach konnten sie beide ihre Allianz beenden.
Und das ist gut so, sagte Ellie sich, wobei ihre Augen feucht wurden.
Um halb elf klingelte es. Sie zog die Gummihandschuhe aus und ging zur Tür, um aufzumachen. Draußen stand Finn.
„Du bist tatsächlich gekommen!“, sagte sie.
„Das hatte ich dir doch versprochen.“
Er trug enge Jeans, die seine muskulösen Beine betonten, und ein hellblaues Polohemd, das seine Augen noch blauer erscheinen ließ.
Ihr Körper reagierte wie immer, wenn sie Finn sah: Hitze durchströmte sie, während ihr Verstand ihr dringend riet, vernünftig zu bleiben.
„Danke fürs Kommen“, sagte Ellie bemüht neutral.
„Keine Ursache.“ Sein Lächeln, mit dem einen Mundwinkel höher als dem anderen, ließ ihr Herz rasen. „Ich bin sicher keine große Hilfe, was Hausarbeit betrifft, aber ich wollte dich unterstützen, falls deine Nerven flattern.“
„Klingt gut“, erwiderte sie knapp. „Danke schön.“
„Viel Zeit bleibt uns nicht. Also legen wir besser los.“ Finn hob einen Karton hoch, den er neben sich gestellt hatte. „Hier habe ich noch einige Dinge von mir, die wir in der Wohnung verteilen sollten. Damit es so aussieht, als würde ich tatsächlich hier leben. Beim ersten Mal hatte ich nicht genug mitgenommen.“
„Ja. Gute Idee“, lobte Ellie kurz und bündig.
„Also, ich habe hier Sachen zum Anziehen, zwei alte Fotos von mir, Bücher und einen Sixpack Bier“, zählte Finn auf.
Sie lachte. „Oh, das wirkt besonders überzeugend. So ausgesprochen männlich.“
„Uns geht es doch um größtmögliche Plausibilität“, meinte er.
Richtig, er war nun mal ein methodischer Mann, der alles genau plante und bedachte. Es war ihm anscheinend nicht um sie gegangen, sondern er hatte offensichtlich eine Liste gemacht, wie man misstrauische Beamte einer Behörde am ehesten überzeugte.
Das war für sie ja durchaus von Vorteil.
Trotzdem enttäuschte es sie, dass er nicht mit dem Herzen bei der Sache war, sondern nur mit dem Kopf.
„Also, deine Sachen bringst du am besten in mein Schlafzimmer“, meinte sie und sah ihm in die Augen.
Nach einer Ewigkeit, die in Wahrheit bestimmt nur Sekunden gedauert hatte, wandte sie den Blick ab. Andernfalls hätte die Gefahr bestanden, dass sie vergaß, warum sie sich auf Finn nicht einlassen durfte.
„Ich geh mal vor“, sagte Ellie und begab sich nach oben. „Die Sachen, die du hiergelassen hast, habe ich schon hergebracht“, informierte sie ihn, als sie im Schlafzimmer waren. „Wegen der Plausibilität“, fügte sie betont hinzu.
„Zwei Seelen, ein Gedanke“, meinte Finn und lächelte. „Das ist doch gut, oder?“
„Vielleicht. Und übrigens … falls ich nachher nicht mehr dazu komme … danke, Finn! Für alles.“
Er zuckte die Schultern, als wäre das alles für ihn keine große Affäre. „Gern geschehen.“
„Das
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