Julia Extra 360
haben durfte.“
„Aber das …“
Sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Ein Mann, der eine Frau nicht in ein luxuriöses Tiergeschäft mitnimmt, sondern ins Tierheim.“
„Ich dachte, es gibt so viele herrenlose Hunde, warum also einen teuer kaufen, wenn …“ Er zuckte abwehrend die Schultern. Ihr Lob schien ihn verlegen zu machen. „Ich fand es einfach vernünftiger.“
„Ich auch“, stimmte sie zu.
Ja, das hier war der echte Finn, der Mann, mit dem sie verheiratet war und den sie viel zu wenig kannte. Der Mann, der seelische Narben aus der Kindheit behalten hatte und trotzdem an Happy Ends glauben wollte.
Der Mann, in den sie sich von Mal zu Mal mehr verliebte. Obwohl sie versuchte, es nicht zu tun.
„Du bist ein guter Mensch“, sagte Ellie überzeugt.
„Danke“, erwiderte Finn kurz angebunden.
Überraschend hob er die Hand und umfasste Ellies Kinn. Sofort hatte sie das Gefühl, zu schmelzen. Sie liebte es, wenn er sie so berührte.
Er kam immer näher, sein Atem streichelte ihre Lippen. Sie schaute ihm in die Augen und stand wie gebannt da, während gespannte Erwartung ihr Herz schneller pochen ließ. Und so laut, dass sie fürchtete, er könnte es hören.
„Du bist auch ganz anders als erwartet“, sagte Finn heiser. „Auf hundertfache Weise.“
„Wirklich?“, hauchte Ellie.
„Wirklich!“
Und dann neigte er sich zu ihr und küsste sie.
Er ließ sich viel Zeit. Zuerst berührte er nur sanft, aber verführerisch ihre Lippen, dann schob er vorsichtig seine Finger in ihre Haare. Nun presste er den Mund leidenschaftlich auf ihren und küsste sie verlangend und immer fordernder. Sie gab nach und erwiderte den Kuss mit Hingabe. Sie schien mit Finn zu verschmelzen in der Hitze des Begehrens, das sie schwindelerregend durchflutete. Und ihn auch, dessen war sie sich sicher.
Von solchen Küssen hatte sie jede Nacht geträumt, seit Finn sie nach der Eheschließung kurz geküsst hatte. Und auf ihrem Balkon. Sie hatte sich vorgestellt, dass es so wie jetzt sein würde, wenn sie richtig verheiratet wären. Ihr Verlangen wurde immer brennender, und sie wusste, sie hätten weit mehr getan als sich nur zu küssen, wenn sie nicht hier in einem Tierheim gestanden hätten.
Einer der Hunde begann laut zu bellen, und das brach den Bann, unter dem sie stand.
Ellie wich ein Stück zurück. „Ich kann nicht, Finn!“
„Warum nicht?“
„Weil ich, immer wenn ich dich küsse, nur sozusagen eine Hälfte von dir bekommen Finn. Die andere hältst du unter Verschluss.“
„Aber nein, das tue …“
„Doch, das tust du!“ Sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Du hast mir vorhin von der traurigen Ehe deiner Eltern erzählt. Ich weiß, welche seelischen Folgen das haben kann, denn mir ist es ebenso ergangen. Weil meine Eltern zusammen nicht glücklich waren, habe ich immer vermieden, einem Menschen wirklich nahezukommen.“
Ihr Blick wurde versonnen.
„Bis ich dann nach China kam. Sun hat mir beigebracht, kurz bevor sie starb, dass es gut ist, wenn man von ganzem Herzen liebt. Es ist immer ein Risiko, und man zahlt vielleicht einen hohen Preis, aber den ist es wert. Weil die Liebe für dich und die Menschen, die du ins Herz schließt, auf jeden Fall eine Bereicherung ist.“
„Manchmal endet es aber mit gebrochenen Herzen“, erwiderte Finn und wandte sich ab.
„Im Geschäftsleben geht man doch auch Risiken ein“, meinte Ellie eindringlich. „Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man. Aber man kann nicht gewinnen, wenn man es gar nicht erst versucht!“
Sie wartete lange auf Finns Erwiderung. Die kam nicht.
Hinter ihnen wurde die Tür geöffnet, und die Frau kam herein, die sie vorhin hier hereingelassen hatte.
„Haben Sie einen gefunden, der Ihren Vorstellungen entspricht?“, erkundigte sie sich.
Ellie blickte Finn an, dessen Gesicht plötzlich kalt und abweisend wirkte. Hatte sie sich vielleicht nur eingebildet, er hätte ein Herz? Wenigstens für die bedauernswerten Hunde?
„Nein, hier gibt es keinen, den ich möchte“, antwortete sie kühl. „Tut mir leid, dass ich Ihre Zeit unnötig in Anspruch genommen habe.“
11. KAPITEL
Finn fuhr allein in sein Büro zurück. Auf dem Weg aus dem Tierheim war er vom Leiter aufgehalten worden, der sich nochmals überschwänglich für die Spende bedankte. Als er dann endlich nach draußen kam, war Ellie bereits verschwunden.
Die Botschaft war klar: Sie wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben.
Darüber sollte er eigentlich froh sein.
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