Julia Extra Band 0193
dachte an Kyle und seufzte unwillkürlich. Er war größtenteils für ihre glücklichen Gefühle verantwortlich. Sie stand tief in seiner Schuld, nicht allein weil er sie durch seine Einwilligung in die Heirat vor einer Klage der Hunters bewahrt hatte.
Im Nachhinein schien es ihr so, dass sie auf die Drohung von Wes’ Eltern überreagiert hatte. Kyle deshalb um die Ehe zu bitten war voreilig gewesen.
Wenn sie damals nur gewusst hätte, dass sie den Hunters nur zu sagen brauchte, Wes sei gar nicht der Vater ihres Kindes!
Doch es war nicht ihre Art, zu lügen. Daher war es an der Zeit, auch eine andere gefürchtete Wahrheit zu akzeptieren. Kyle hatte sie zwar wie ein Ritter in blanker Rüstung gerettet, aber offensichtlich war die Ehe mit einer Frau, die er nicht liebte und nicht wollte, ein zu hoher Preis dafür gewesen.
Sie spürte einen Stich im Herzen. Vielleicht würde es auf lange Sicht für alle Beteiligten das Beste sein, wenn sie sich jetzt trennten, bevor sie durch das Zusammenleben noch enger aneinander gebunden sein würden.
Sie wollte aber auch nicht zurück auf die Ranch ihrer Eltern gehen, dazu war ihr ihre Freiheit zu lieb geworden.
Einen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken, das Jobangebot von Celeste anzunehmen. Diese Idee verwarf sie aber schnell wieder. Sie hatte genug vom Karriere-Highway. Der tödliche Stress und Druck, der mit der Arbeit für eine einflussreiche Zeitschrift verknüpft war, war ihr zu viel.
Als Alternative konnte sie sich durchaus die Mutterschaft vorstellen, die für sie eine fortwährende Herausforderung darstellte. Die Furcht, die ihre diesbezüglichen Gedanken früher begleitet hatte, war dank der Krankenschwestern, Kyle und ihrem täglich wachsenden Selbstvertrauen fast gänzlich gewichen.
Das Geld vom Verkauf ihres Anteils am Londoner Studio würde ihr eine Atempause gewähren. Dennoch musste sie sich nach einer Arbeit umschauen, um ihre Rechnungen auch in Zukunft bezahlen zu können.
Ihr fiel Kates Bemerkung wieder ein, dass in Kincade ein Porträt-Studio fehle. Sie hatte nicht vorgehabt, selbst ein Fotostudio zu eröffnen. Als ihre Freundin sie damals in London gefragt hatte, ob sie eine Partnerschaft eingehen wollte, hatte sie es ihr zuliebe getan. Sie hatte ihrer Freundin vor allem dabei geholfen, die Buchführung auf Vordermann zu bringen.
Wenn sie nun in Kincade ein Studio für Porträts aufmachte, würde sie ihre Arbeitszeiten selbst wählen und Timothy ständig in ihrer Nähe haben können. Sie hatte fast alles an Ausrüstung, das sie für den Anfang benötigte. Es fehlte nur noch ein geeigneter Geschäftsraum.
Ein Schauer lief ihr bei der aufregenden Aussicht auf einen geschäftlichen Neuanfang über den Rücken. Zugleich erfasste sie eine leise Traurigkeit bei dem Gedanken, Kyle und April zu verlassen. Es fiel ihr schwer, diese Familie aufzugeben, die sie so sehr zu lieben gelernt hatte.
Sie würde aber zumindest so lange weiter an Aprils Leben teilhaben können, solange sie in Kincade blieb.
Mit einem letzten Blick auf das schlafende Kind stahl sie sich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. Sie hörte unten Musik und folgte den Klängen.
Durch die offene Tür konnte sie sehen, dass April auf dem Bett ihres Vaters eingeschlafen war. Es versetzte Piper einen Stich, dass sie April sehr verletzen würde, wenn sie und Timothy auszogen.
Das hatte ihr Kyle schon zu Beginn ihres Arrangements prophezeit. Wieso hatte er dann trotz seiner gewichtigen Gegenargumente in die Scheinehe eingewilligt? Sie hätte viel darum gegeben, wenn sie diese Frage hätte beantworten können.
Der Zeitpunkt war ideal, da April und Timothy schliefen.
„Kyle, wir müssen miteinander reden.“
Bei Pipers Worten schlug Kyle das Herz bis zum Halse. Er holte tief Luft, dann wandte er sich zu ihr. Er konnte den traurigen Ausdruck in ihren blauen Augen erkennen.
„Über was?“, fragte er, obwohl er die Antwort bereits kannte. Nachdem er den Brief von Celeste Robinette gelesen hatte, wusste er, dass es nur eine Frage der Zeit war. Jetzt würde ihm Piper sagen, dass sie gehen wollte. Er würde nichts dagegen tun können.
„Ich weiß nicht genau, wie ich anfangen soll“, sagte sie nervös. Sie hielt sich am Küchenstuhl fest. „Timothy und ich, wir schulden dir so viel. Nur Danke zu sagen reicht nicht aus.“ Sie sah ihm in die Augen, doch sie verrieten nichts.
Er hatte die Daumen in seinen Jeanstaschen verhakt und stand vor ihr wie eine in Stein gemeißelte Statue. Sie fing noch
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