Julia Extra Band 0193
Callum dazu und lehnte sich neben ihr über den Zaun. “Reiten Sie?”, fragte er. Und als sie die Frage bejahte, sagte er: “Ich will auf die Felder am anderen Ende der Farm reiten. Dort muss ich eine Mauer reparieren. Hätten Sie Lust, mitzukommen?”
“Das würde ich gern. Danke”, antwortete Zoë.
“Und welches Pferd wollen Sie reiten?”
“Sie nehmen sicher den grauen Hengst. Er ist groß und stark und das richtige Pferd für einen Mann. Ich selbst nehme die Braune.” Sie wies auf die wunderschöne Stute, deren rotbraunes Fell in der Sonne wie poliert aussah. Schweif und Mähne glänzten wie Seide.
“Dann sattele ich sie für Sie”, sagte Callum.
Es war lange her, dass Zoë zum letzten Mal auf einem Pferd gesessen hatte. Sie hatte ganz vergessen, wie schön es war, über Wiesen und Felder zu jagen. Callum trabte vor ihr her. Er war ein guter Reiter.
“Es war fantastisch!”, rief sie aus, als er anhielt und abstieg.
“Von hier aus müssen wir laufen”, sagte er. Vor ihnen lag ein felsiger Pfad, der an einer tiefen Schlucht entlangführte.
“Ist das alles Ihr Land?”, erkundigte sich Zoë.
“Ja, bis dort hinauf zu dieser Gebirgskette.” Rötlich schimmernd hob sie sich vom blauen Himmel ab.
“Es ist wunderschön hier, so friedlich”, sagte Zoë. “Cheshire vermissen Sie doch sicher gar nicht mehr?”
Er schüttelte den Kopf. “Cheshire ist eine schöne Grafschaft, aber es ist dort zu glatt und gepflegt. Ich ziehe die raue, zerklüftete Landschaft von Cumbria vor.”
“Hatten Sie dort auch eine Farm?”
“Nein. Ich war Börsenmakler und verbrachte meine Tage in Manchester damit, die Aktienkurse zu verfolgen.”
“Und was brachte Sie dazu, Landwirt zu werden?”, fragte Zoë erstaunt.
“Ich habe mich in die Tochter eines Landwirts verliebt und von heute auf morgen den Beruf gewechselt. An einem Tag lief ich noch im Anzug mit einem Aktenkoffer herum, und am nächsten Tag hatte ich Gummistiefel an und half Helens Vater. Helen betrieb damals einen Reitstall, und dort haben wir uns kennengelernt. Ich hatte Mark besucht und war zu ihr gegangen, um ein Pferd auszuleihen.”
“Das Schicksal führt uns auf merkwürdige Wege. Manchmal denke ich, unser Leben ist vorgezeichnet, und wir sind nur eine Schachfigur im großen Plan”, sagte Zoë nachdenklich.
“Ich habe mir nie träumen lassen, Bauer zu werden. Mark war immer derjenige, der draußen an der frischen Luft arbeiten wollte, und ich war der Schreibtischtyp, der die Wirtschaftszeitungen las und am Computer saß.”
“Haben Sie jemals den dunklen Anzug und den Aktenkoffer vermisst?”
“Nein, niemals. Aber ich befasse mich immer ein wenig mit Aktien und Anlagen. Das hat mir schon sehr genutzt, wenn die Farm schlechte Zeiten erlebte. Das und …” Er hielt plötzlich inne, weil er sagen wollte: … weil ich einen guten Freund in hoher Position habe. Das durfte er jedoch nicht aussprechen, denn wahrscheinlich würde sie dann fragen, wer dieser Freund war. Dass es sich um ihren Vater handelte, konnte er ihr ja nicht verraten.
“Das und …?”, fragte Zoë prompt.
Am liebsten hätte er ihr die Sache mit Francis erzählt, um endlich reinen Tisch zu machen. Aber das ging nicht. Erst gestern hatte er mit ihrem Vater gesprochen, und der hatte ihn gebeten, Zoë unbedingt länger von London fernzuhalten.
“Das geht nicht”, hatte er erwidert. “Sie wird nicht länger hierbleiben. Sie hat mir gesagt, dass sie in der zweiten Aprilwoche nach London zurückkehren muss.”
“Warum in der zweiten Aprilwoche?” Francis’ Argwohn war geweckt. “Meinen Sie, dass sie einen Hochzeitstermin festgesetzt hat?”
Diese Unterhaltung hatte Callum um den Schlaf gebracht. Er erinnerte sich an Matthews Stimme auf dem Anrufbeantworter: “Alles ist für den fünfzehnten arrangiert.” War das der Tag ihrer Hochzeit?
Ich muss ihre Frage beantworten, dachte er. Aber Francis kann ich nicht erwähnen. “Das und eine Menge harter Arbeit”, sagte er schließlich.
Zoë stolperte über den unebenen Grund, und er reichte ihr die Hand, um sie zu stützen. Diese kurze Berührung löste einen Adrenalinstoß bei ihr aus. Was war bloß los mit ihr? Nie zuvor hatte sie einen Mann kennengelernt, der ihre Gefühle derart in Aufruhr versetzte.
Sie kamen auf eine Lichtung, und dort, entlang einer grasbewachsenen Böschung, verlief die Mauer, die Callum reparieren wollte.
Zoë setzte sich auf einen Stein und beobachtete ihn bei der Arbeit. “Was Sie da
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