Julia Extra Band 0193
Letzten.”
“Es kommt doch nicht darauf an, wo du am Anfang, sondern wo du am Ende stehst. Ist es nicht so, Kyle?”, fragte Zoë und legte dem Jungen den Arm um die Schultern.
Kyle gab keine Antwort, sondern blickte verdrossen auf den Boden.
Draußen regnete es. Während Zoë in ihrer Handtasche nach den Autoschlüsseln kramte, zog Sally Callum beiseite und redete auf ihn ein. Zoë konnte nicht verstehen, worum es ging, jedoch stellte sie fest, dass die beiden ein hübsches Paar waren. Nur passen sie nicht zusammen, dachte sie.
“Was sagt Sally zu meinem Dad?”, wollte Kyle wissen.
“Ich weiß nicht”, antwortete Zoë. “Bestimmt hat es etwas mit der Schule zu tun.”
“Ich glaube, er trifft eine Verabredung mit meiner Mom”, mischte Clara sich ein.
“Das tut er bestimmt nicht”, widersprach Kyle ärgerlich. “Er mag deine Mutter nämlich gar nicht.”
“Das tut er doch. Er ist ganz verrückt nach ihr”, gab Clara zurück.
“Seid still, Kinder. Es geht euch nichts an, worüber eure Eltern sprechen”, versuchte Zoë den Streit zu schlichten. Zum Glück trat in diesem Augenblick Callum auf sie zu und drängte zum Aufbruch. Er bemerkte die Unstimmigkeit und fragte erstaunt nach der Ursache.
“Clara meint, dass du wie verrückt hinter ihrer Mutter her bist”, sagte Alice mit der Unbefangenheit eines fünfjährigen Kindes. “Aber Zoë glaubt, dass ihr nur über Schulsachen gesprochen habt.”
“Ach so.” Callum sah erst Zoë an, dann wandte er sich an Kyle: “Es steht euch nicht zu, über so etwas zu diskutieren. Clara hat wahrscheinlich zu viele Fernsehserien gesehen.”
“Ich habe dir ja gesagt, dass Daddy nicht hinter Sally her ist. Sie ist ja nicht einmal nett”, zischte Kyle seine Schwester an.
“Schluss jetzt!”, sagte Callum streng. “Sally ist eine nette Frau, und ich mag nicht, dass ihr so über sie redet.”
Er nahm die Autoschlüssel von Zoë entgegen und startete den Wagen.
Die Fahrt verlief mehr oder weniger schweigsam. Zu Hause ging Callum mit beiden Kindern sofort in die obere Etage und brachte sie ins Bett, während Zoë in der Küche Wasser für einen Kaffee aufsetzte.
“Alice möchte wissen, ob sie an ihrem Geburtstag nächste Woche eine Party geben kann”, sagte Callum, als er wieder nach unten kam.
Zoë lachte. “Sie weiß anscheinend, wie sie ihren Vater nehmen muss. Was haben Sie denn geantwortet?”
“Ich habe gesagt, dass ich Sie fragen werde.”
“Sie müssen mich doch nicht fragen.”
“Das tue ich aber, denn an Ihnen bleibt ja die ganze Arbeit hängen. Sie will ihre ganze Klasse einladen.”
“Kein Problem. Ich mache das mit Vergnügen. Wie alt wird denn Alice?”
“Sechs. Danke Zoë, dass Sie mich heute Abend vertreten haben und mit den Kindern ins Konzert gefahren sind. Sie haben mir erzählt, dass Sie gern ins Theater gehen, aber Sie hatten bestimmt nicht so eine Schulaufführung im Sinn, als Sie das sagten.”
“Nun, es ist sicherlich eine Abwechslung zu diesen West-End-Produktionen. Kyle war großartig heute Abend, nicht wahr? Er hat das Gedicht wie ein Profi vorgetragen.”
“Die Vorstellung, die er später gab, war aber leider nicht so gut gelungen”, sagte Callum schroff.
“Er ist doch noch klein”, entschuldigte sie Kyle. Sie nippte an ihrem Kaffee und sah ihn über den Tassenrand hinweg an. “Vielleicht sollten Sie einmal mit ihm darüber reden.”
“Soll ich ihm sagen, dass es ganz natürlich ist, wenn Daddy Freundinnen hat?” Callum schüttelte den Kopf. “Ich glaube nicht, dass so ein Gespräch von Nutzen wäre.”
Zu gern hätte Zoë gewusst, wie es zwischen Sally und Callum stand. Aber sie zügelte ihre Neugier und redete sich ein, dass es sie nichts anging.
“Aber irgendwann müssen Sie mit ihm reden”, begann sie von Neuem. “Ich habe das Gefühl, dass Kyle bis heute nicht mit dem Tod seiner Mutter fertiggeworden ist.”
“Er war noch so klein, als das geschah. Gerade fünf Jahre alt. Ich gebe zu, dass ich damals nicht mit ihm über den Tod gesprochen habe. Inzwischen, glaubte ich, hat er sich damit abgefunden.”
“Vielleicht war er damals wirklich noch zu jung, um zu verstehen, was geschehen war, doch Sie sollten versuchen, jetzt mit ihm darüber zu reden”, meinte Zoë. “Man weiß nicht, was in einem Kind vorgeht. Vielleicht ist er böse, weil seine Mutter ihn verlassen hat, und wenn er Sie jetzt mit einer anderen Frau sprechen sieht, denkt er womöglich, dass er auch Sie verliert. Sie sagten
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