Julia Extra Band 0193
wäre, wenn sie schlechte Kritiken bekäme? Oder wenn niemand ein Bild kaufte? Ich muss Selbstvertrauen haben, sagte sie sich. Komme, was da wolle. Ich darf nicht an mir zweifeln und Matt mit all den Vorbereitungen allein lassen.
“Sie freuen sich doch sicher wieder auf die Großstadt, oder?”, unterbrach Mark ihre Gedanken.
“In mancher Hinsicht schon. Ich liebe es, ab und zu durch die großen Kaufhäuser zu streifen. Abgesehen davon aber ist es für mich eine Erholung, dem hektischen Treiben und dem Verkehrslärm für eine Weile entflohen zu sein. Ich glaube, tief im Inneren bin ich eher ein Landmädchen.”
“Wie Callum”, sagte Mark. “Nie hätte ich geglaubt, dass er die Liebe zum Land für sich entdeckt.”
“Er hat mir erzählt, dass er eigentlich nur einen kurzen Urlaub hier machen wollte und dann geblieben ist.”
“Er ist geblieben, nachdem er die Farm vor dem finanziellen Ruin gerettet hat”, erwiderte Mark. “Jahrelang hatte Helens Vater versucht, den Besitz zu verkaufen, doch niemand hatte Interesse daran. Der Bankrott war also kaum noch abzuwenden. Dann kam Callum mit seiner kaufmännischen Ader, und das Schicksal wendete sich.”
“Er muss Helen sehr geliebt haben.”
“Ja, sie waren ein wunderbares Paar. Manchmal denke ich, Callum sollte hier alles verkaufen und woanders einen neuen Anfang machen. An dieser Farm hier hängen zu viele Erinnerungen.”
“Aber es sind glückliche Erinnerungen.”
“Das macht sie nicht weniger schmerzlich”, sagte Mark. “Doch Callum will von Verkauf nichts wissen. Der Betrieb läuft gut, was angesichts der allgemeinen Lage in der Landwirtschaft an ein Wunder grenzt.”
“Dank Callums kaufmännischem Verstand, vermute ich.”
“Und einem lukrativen Vertrag mit einer großen Supermarktkette. Callum hat Freunde in hohen Positionen.”
Zoë wurde abgelenkt, weil sie ständig Ausschau nach Callum hielt, ihn aber nicht sah.
Als die Musik zu einem heißen Disco-Beat überging, hielt es Mark nicht mehr länger auf der Tanzfläche. Er zog Zoë zurück an ihren Tisch, wo Callum sich bereits wieder eingefunden hatte. Während Mark an die Bar ging, um sich ein erfrischendes Getränk ohne Alkohol zu holen, goss Callum Zoë ein weiteres Glas Champagner ein.
“Sagen Sie ja nicht, dass ich damit eine Wette einlöse”, warnte er scherzend.
“Dann geben Sie also zu, dass Sie betrogen haben?”
“Nein, das tue ich nicht. Geben Sie denn zu, dass Sie eine Herausforderung darstellen?”
“Ich weiß nicht, was Sie meinen.”
“Ich meine, dass Sie heute Abend ganz besonders hübsch aussehen.”
“Es ist unklug, einer Angestellten zu sagen, dass sie hübsch ist. Und ganz nebenbei bemerkt, wo ist eigentlich die Dame, mit der Sie verabredet waren?”
“Ich weiß nicht. Vielleicht wollte sie mich loswerden.”
“Das bezweifle ich.” Zoë sah sich im Saal um, aber sie konnte weder Sally noch Mark entdecken.
“Wollen wir tanzen? Ich habe Alice versprochen, dass ich Sie frage.” Als Zoë zögerte, weil sie einen Sturm der Gefühle fürchtete, wenn sie ihm zu nahe kam, zeigte Callum sich irritiert. “Was ist los mit Ihnen? Haben Sie nicht vor Kurzem gesagt, dass Sie nicht nur meinen Haushalt führen und auf die Kinder aufpassen, sondern darüber hinaus in Ihrer Freizeit auch noch meine Landwirtschaft betreiben könnten? Tun Sie jetzt bitte nicht so, als hätten Sie nicht genügend Energie für einen Discotanz.”
“Ich könnte Sie glatt unter den Tisch tanzen, Callum”, drohte Zoë mit einem spöttischen Lächeln.
“Das klingt interessant. Der Erste, der sich hinsetzen muss, spendiert die nächste Flasche Champagner.”
“Darauf falle ich nicht noch einmal herein. Sie tricksen mich doch nur wieder aus.” Sie gab Callum die Hand und ließ sich von ihm auf die Tanzfläche führen.
Er war ein guter Tänzer. Ohne Scheu lag sie in seinen Armen und gab sich ganz der Musik hin, während Scheinwerfer magisches Licht auf die Tanzenden warfen. Zoë gab sich alle Mühe, die intime Nähe ihres Partners zu ignorieren. Vergebens. Ihr Herz schlug so wild, dass Callum es spürte.
“So ist es schon besser”, flüsterte er ihr ins Ohr. Worte, die sie mehr und mehr in Erregung versetzten.
“Sie sind doch nicht etwa müde?”, fragte Zoë nach einer Weile.
“Ganz und gar nicht. Ich könnte die ganze Nacht durchtanzen.”
Das könnte ich auch, dachte Zoë. Sie legte den Kopf an seine Brust und sog den frischen Duft seines Eau de Cologne ein. Plötzlich
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