Julia Extra Band 0193
kam ihr dabei der Gedanke, wie es wohl sein mochte, ihn zu lieben. Nackt neben diesem kraftvollen Körper zu liegen und sich ihm hinzugeben. Allein daran zu denken ließ in ihr die Alarmglocken klingeln. “Ich denke, wir sollten uns wieder setzen”, sagte sie. “Sally und Mark werden sich schon wundern, wo wir abgeblieben sind.”
Widerspruchslos legte Callum ihr die Hand auf den Rücken und führte sie an ihren Tisch zurück, wo sie Sally und Mark in lebhafter Unterhaltung vorfanden. Sally machte keinen Hehl daraus, dass sie wütend war, weil Callum mit Zoë und nicht mit ihr getanzt hatte.
“Ich hörte, dass du eine Geburtstagsfeier für Alice organisierst”, sagte sie zu Callum, wobei sie Zoës Anwesenheit völlig überging.
“Ja, am Montag nach der Schule. Deine Töchter sind natürlich auch eingeladen.”
“Ich freue mich darauf.” Jetzt war Sally wieder in bester Stimmung. “Wenn du möchtest, helfe ich dir gern bei der Party.”
“Das ist Zoës Domäne”, antwortete Callum und warf ihr über den Tisch einen fragenden Blick zu. “Brauchen Sie Hilfe, Zoë?”
“Danke. Ich glaube, ich habe alles im Griff”, sagte Zoë mit einem höflichen Lächeln.
“Dann können wir beide uns ja mit einer Flasche Wein zurückziehen, Callum, während die Kinder sich amüsieren.”
Zoë griff nach ihrem Champagnerglas. Die Aussicht, Sally am Montag als Partygast dabeizuhaben, gefiel ihr gar nicht. Es gefiel ihr auch nicht, wie Sally ihr jetzt den Rücken zukehrte und Callum ganz für sich in Anspruch nahm. Sie sprach über Leute aus dem Dorf, die Zoë nicht kannte, und zeigte deutlich, dass Zoë Luft für sie war.
Endlich ging das Fest zu Ende, und alle Gäste wurden dazu eingeladen, sich draußen ein Feuerwerk anzusehen.
“Wer hat das eigentlich alles arrangiert?”, fragte Zoë, als sie hinausgingen.
“Lord Stanberry”, antwortete Callum. “Ihm gehört das Haus. Er ist einer der reichsten Männer in der Grafschaft. Seine Feste sind berühmt.”
“Früher waren die Feste schöner”, bemerkte Sally. “Da nahmen nur ausgewählte Gäste daran teil, sozusagen die Creme der Gesellschaft. In jenen Tagen wurde noch Wert auf einen hohen Standard gelegt. Heutzutage können sich ja auch Haushaltshilfen ein Ticket dafür kaufen.”
Zoë verstand natürlich den verdeckten Hieb, amüsierte sich jedoch darüber. “Ja, ja, in der guten alten Zeit”, sagte sie. “Da wussten die Bauern noch, wohin sie gehörten. Sie haben ganz recht, Sally, mit der Gesellschaft geht es bergab. Bald sind wir wieder bei den Arbeitshäusern, wenn es so weitergeht.”
Callum warf ihr einen belustigten Blick zu, aber Sally war alles andere als amüsiert. Sie warf ihr dunkles Haar zurück, hakte sich bei Callum ein und folgte dem Strom der Gäste nach draußen.
Es war bitterkalt. Als Zoë stehen blieb, um sich die Stola enger um die Schultern zu ziehen, wurde sie von Mark getrennt. Sie drängte sich durch die Zuschauer, in der Hoffnung, Mark oder Callum wiederzufinden, doch als sie keinen von beiden entdecken konnte, schlenderte sie um das Haus herum in den Garten, wo eine Fontäne und Marmorstatuen im Licht von Scheinwerfern eine prachtvolle Kulisse bildeten. Ganz in Gedanken versunken ging sie weiter und genoss die Einsamkeit nach dem Trubel im Festsaal. Als sie bewundernd vor der steinernen Skulptur eines Löwen verharrte, trat plötzlich Callum auf sie zu. “Wir haben uns schon Sorgen um Sie gemacht”, sagte er.
“Ich konnte Sie nicht mehr finden, und da bin ich in den Garten gegangen”, erklärte sie. Sie legte eine Hand auf den mächtigen Körper des Löwen, der zu einem Sprung anzusetzen schien. “Er ist beeindruckend, finden Sie nicht auch? Er erinnert mich an meinen Vater.”
“Wieso denn das?”, fragte Callum.
“Ich weiß nicht. Vielleicht weil ich in letzter Zeit so oft an meinen Vater gedacht habe, vielleicht auch, weil Daddy ein Löwe ist: sehr herrisch, sehr dominierend. Vielleicht auch, weil er eine Skulptur wie diese in seinem Garten hat.”
“Das muss dann aber auch ein sehr schöner Garten sein.”
“Ja, das ist er.” Sie dachte an die weiten Rasenflächen, an das große Haus mit den vielen ungenutzten Zimmern.
“Und warum denken Sie so oft an Ihren Vater?”
“Wahrscheinlich weil wir so zerstritten sind …”
“Warum?” Zu gern hätte Callum ihre Darstellung der Geschichte gehört.
Sie zuckte mit den Schultern und sagte: “Ich möchte Sie damit nicht langweilen.”
“Sie langweilen
Weitere Kostenlose Bücher