Julia Extra Band 0193
werfen. Wenn aber Matthew so war, wie Francis ihn einschätzte, würde er Zoë mit einem Geständnis keinen Gefallen tun.
Callum sah Zoë tief in die Augen. “Ich weiß nicht, ob mein Ratschlag hilfreich für Sie wäre, denn ich bin auch im Sternzeichen des Löwen geboren.”
Sie lachte und blickte zu ihm auf. “Danke, dass Sie mich aufheitern wollen”, sagte sie. “Und dass Sie mir zugehört haben.” Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und wollte ihm einen Kuss auf die Wange geben. Doch irgendwie kam es dazu, dass sich ihre Lippen trafen. Dicht an seinen Körper gepresst, spürte sie, wie sich bei diesem Kuss ihre Gefühle wie in einem Rausch entluden und sie alles um sich herum vergaß.
Der Zauber zerstob, als jemand ihre Namen rief. Wortlos standen sich Zoë und Callum gegenüber und starrten sich an.
“Da seid ihr ja”, rief Mark, der die Situation sogleich begriffen hatte. “Wir haben euch überall gesucht. Sally ist außer sich.”
“Warum denn?”, fragte Callum seelenruhig.
“Weiß der Himmel”, spöttelte Mark.
Zögernd folgte Zoë den beiden Männern. Sie fühlte sich elend, weil sie diesen Kuss herausgefordert hatte. Zaghaft schlich sie sich an Callum heran und sagte leise: “Dieser Kuss eben … Es tut mir leid. Ich war wütend, und Sie waren so nett zu mir gewesen …”
“Nett? Ich bin ja auch ein netter Bursche.”
Nett war nicht der richtige Ausdruck für das, was sie empfunden hatte, als sie Callum küsste. Die Leidenschaft hatte sie in einen Zustand der Glückseligkeit versetzt, den sie auch jetzt noch verspürte.
“Ein netter Bursche, sagten Sie? Ja, das sind Sie wirklich.”
8. KAPITEL
Zoë hatte gerade alle Betten gemacht, als Callum nach ihr rief. So früh hatte sie ihn nicht erwartet. Für gewöhnlich sah sie niemanden, bis die Kinder aus der Schule kamen.
“Ich muss nach Windermere fahren, um das Geburtstagsgeschenk für Alice abzuholen”, sagte Callum. Als er sich in der Küche umsah, staunte er über die Berge von Kuchen und anderen Köstlichkeiten, von denen die meisten selbst gebacken waren. Dem Schokoladenkuchen konnte er nicht widerstehen.
“He!”, rief Zoë. “Hände weg! Das gibt es erst später.” Schnell spannte sie die Netze, die sie vorsichtshalber gekauft hatte, über die Leckereien.
“Es sieht alles so verlockend aus”, entschuldigte sich Callum. “Kann ich nicht wenigstens einen Keks bekommen?”
“Nein. Erst heute Nachmittag.”
“Spielverderber!” Callum langte unter das Netz und nahm sich doch einen. “Es sieht so aus, als hätten Sie für die Party alles unter Kontrolle.”
Zoë nickte. “Im Badezimmer war etwas mit dem Heizkörper nicht in Ordnung. Ich habe das Wasser abgelassen und glaube, dass es jetzt okay ist.”
“Das hätte ich ja auch machen können”, bemerkte Callum. “Sie haben genug zu tun.”
“Ist schon gut. Alles ist fertig für das Geburtstagskind.”
“Dann könnten Sie mich doch nach Windermere begleiten”, schlug er vor. “Hätten Sie nicht Lust dazu? Ich könnte einen guten Rat bei der Auswahl des Geschenks brauchen.”
Zoë war einverstanden. Sie lief in ihr Zimmer und zog sich um. Zu grauen Hosen trug sie ein zartrosa T-Shirt mit rundem Ausschnitt, ließ das offene Haar lose auf die Schultern fallen und nahm für alle Fälle noch eine dicke graue Jacke aus dem Schrank. Den Reißverschluss zog sie bis unters Kinn, denn keinesfalls wollte sie aufreizend wirken.
“Von mir aus können wir fahren”, sagte sie und griff nach der Handtasche.
Es war ein klarer, sonniger Tag. Keine Wolke war am Himmel zu sehen. Entlang der Straßen bogen sich goldgelbe Narzissen im Wind.
“Ich liebe diese Jahreszeit”, sagte Zoë fröhlich. “Ich denke immer, gleich kommt der Sommer um die Ecke. Plötzlich erscheint alles um uns herum wie vergoldet und voller Versprechungen.”
“Ich freue mich auch immer auf den Sommer”, stimmte Callum ihr zu. “Was haben Sie denn für Pläne, wenn Sie wieder in London sind?”
Zoë holte tief Luft und überlegte, ob sie ihm nicht von ihrer Ausstellung erzählen sollte. Doch sie war abergläubisch, wenn es um ihr Vorhaben ging und hatte Angst, dass die Ausstellung ein Reinfall werden könnte. Wenn alle ihre Träume sich in Luft auflösten, würde sie sich ganz schön blöd vorkommen. Nur ihre engsten Freunde wussten vom fünfzehnten April.
“Erst einmal werde ich wieder anfangen zu malen”, antwortete sie zögernd.
“Aber in London gibt es keine Landschaften”, warf
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