Julia Extra Band 0211
Leigh.
“Ich bin jederzeit bereit, diesen Zustand zu verändern, wenn du darauf bestehst”, bot er mit spöttischem Blick an. “Wenn ich mich recht erinnere, haben wir uns einmal sehr gut verstanden.”
“Bist du sicher, dass du dabei auch an uns beide denkst? Es gab so viele Frauen in deinem Leben, dass es mich überraschen würde, wenn du dich auch nur an die Hälfte deiner Gespielinnen erinnern würdest.”
Jetzt schien sie ihn getroffen zu haben. Sie sah es an der eisigen Kälte in seinen blauen Augen und an der Art und Weise, wie sich sein muskulöser Körper versteifte. “Du warst keine Gespielin für mich”, presste er heiser hervor. “Du warst, nein, du
bist
meine Ehefrau!”
“Wie schade, dass du daran nicht gedacht hast, als es mir noch etwas bedeutet hat”, konterte sie kühl. “Leb wohl, Raoul.” Damit wandte sie sich von ihm ab und durchquerte hastig den Raum, wobei sie leise nach rechts und links Entschuldigungen murmelte, während sie sich durch die Menschenmassen zwängte.
Sobald sie die hohe, kunstvoll geschnitzte Jugendstiltür erreichte, die in den nächsten Salon führte, lehnte sie sich kurz gegen den kühlen Rahmen, um Luft zu schöpfen und ihre Fassung wiederzugewinnen. Leigh legte eine Hand auf ihr wild hämmerndes Herz. Wie hatte Raoul sie überhaupt gefunden? Und, was noch wichtiger war, was wollte er von ihr? Abwesend ließ sie ihren Blick über die verschiedenen, teilweise kunstvoll frisierten Köpfe schweifen. Auch der benachbarte Raum war mit illustren Gästen gefüllt, die sich alle offensichtlich ausgezeichnet unterhielten. Nigel kann sich mal wieder selbst auf die Schulter klopfen, dachte sie. Jeder, der Rang und Namen in der Londoner High Society hatte, schien seiner Einladung gefolgt zu sein.
Noch vor zwei Jahren hatte sie lautstark behauptet, nur aufgrund ihrer künstlerischen Leistung akzeptiert werden zu wollen. Als aber eine Einladung zu einer von Nigels Partys in ihren Briefkasten geflattert war, hatte sie schließlich doch nicht widerstehen können. Und jetzt zahlte sie einen Preis für ihre Eitelkeit, den sie sich nicht einmal in ihren Albträumen hätte vorstellen können. Sie hätte nie aufs gesellschaftliche Parkett zurückkehren dürfen, dann hätte Raoul sie auch nicht finden können.
“Alles in bester Ordnung, Schätzchen?” Ohne auf eine Reaktion ihrerseits zu warten, tänzelte ihr Gastgeber an Leigh vorüber, wobei der überraschende Kontrast seiner leuchtend roten Hose zu seinem überlangen schwarzen Frack sie förmlich blendete. Sie biss sich auf die Unterlippe und schaute auf ihre Uhr. Zwei Stunden war sie hier, sodass die wichtigsten Leute sie eigentlich alle gesehen haben mussten. Raoul war im Moment nirgendwo zu entdecken – also ein idealer Moment, um zu fliehen.
“Du willst schon gehen, Darling?” Leigh wühlte sich gerade durch Massen von Seidenschals, Jacken und Mänteln, als Vivian sie von hinten ansprach. “Einen noch größeren Fisch an der Angel?”
“Bitte?” Sie hatte Vivian noch nie gemocht, kannte das Model aber seit Jahren von Modeaufnahmen, bei denen sie selbst gelegentlich als Fotoassistentin mitgewirkt hatte. Damit hatte sie sich das Geld für ihren Lebensunterhalt verdient, während sie versuchte, ihren Traum zu realisieren, als freie Malerin zu leben. “Ich verstehe nicht ganz.”
“Was für ein Spielchen spielst du eigentlich?” Vivians Augen sprühten wütende Blitze. “Ich habe mich ein bisschen umgehört. Das war doch Raoul de Chevnair, mit dem du eben gesprochen hast, nicht wahr? Du willst mir doch nicht allen Ernstes weismachen, dass dieser Playboy und Multimillionär jemals Notiz von einem unscheinbaren Ding wie dir nehmen – geschweige denn, dich auch noch heiraten würde!” Sie lachte hysterisch auf.
“Mir ist völlig egal, was du glaubst oder nicht, Vivian”, entgegnete Leigh ruhig und zog ihren Mantel über, den sie endlich in dem Tohuwabohu gefunden hatte.
“Du hast meine Frage nicht beantwortet – Miss Leigh Wilson!”, zischte die Blondine mit verzerrtem Gesicht. “Hört sich irgendwie nicht nach Madame de Chevnair an, oder?”
“Wie mein Mann eben schon richtig bemerkte – das ist allein dein Problem.” Leigh schob die verblüffte Frau einfach zur Seite. “Gute Nacht, Vivian.” Damit verließ sie den Raum und trat aufatmend in die großzügige holzgetäfelte Eingangshalle hinaus. Endlich! Raoul war seit kaum einer Stunde in ihr Leben zurückgekehrt, und prompt herrschte bereits
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