Julia Extra Band 0213
Hannah hatte angenommen, dass es ein paar Tage dauern würde, bis die Abholung arrangiert war. Sie hatte sich offensichtlich getäuscht.
Sie betrat den Fahrstuhl und wappnete sich für das, was sie im siebenten Stockwerk erwartete.
Die Tür zu Isobels Apartment stand offen, und eine Anrichte blockierte die Diele. Ansonsten war die Lage nicht so chaotisch, wie Hannah befürchtet hatte.
Mitten im Wohnzimmer stand eine aufgelöste Kitty Stephens mit einem Klemmbrett in der Hand, während ein Mann ihr über die Schulter sah und mit dem Finger auf etwas zeigte. “Da steht er doch auf der Liste”, sagte er. “Der Pembroke-Tisch. Sehen Sie?”
“Hier sind überall Tische”, stellte Kitty hilflos fest. “Woher soll ich wissen, welcher das ist?”
Hannah ging quer durch den Raum, setzte ihren Karton in einer Ecke ab und nahm die letzte Ausgabe von Isobels Lieblingsmagazin von der polierten Tischplatte eines kleinen Beistelltischchens. “Es ist dieser hier”, sagte sie. “Seien Sie vorsichtig damit, denn er gehört eigentlich in ein Museum.”
Der Mann musterte Hannah mit einem Anflug von Hochachtung. “Keine Bange, wir kennen uns aus. Auf den Tisch wartet übrigens tatsächlich schon ein Museum.”
Kitty sah ganz erleichtert aus. Sie hielt Hannah das Klemmbrett hin: “Da Sie jetzt hier sind, Miss Lowe, können Sie das übernehmen. Daddy gab mir die Liste und bat mich, herzukommen und Aufsicht zu führen, aber woher soll ich wissen, was hierbleiben soll?”
“Außer dem Karton, den ich eben mitgebracht habe, und der Kleidung im hinteren Schlafzimmer herzlich wenig”, sagte Hannah. “Und da der Mann offensichtlich etwas von seiner Arbeit versteht, überlasse ich alles ihm. Das sollten Sie auch tun.” Sie trat zur Seite, um einen Handwerker vorbeizulassen, und ging dann in die Küche.
Sie stellte fest, dass Isobels Waterford-Kristall und Haviland-Porzellan schon aus dem Esszimmer verschwunden waren. An den Wänden sah man nur noch Umrisse an den Stellen, an denen die Bilder gehangen hatten. Ken Stephens hatte zwar die Kunstwerke nicht extra erwähnt, aber ganz offensichtlich hatte die alte Dame auch ein Abkommen mit einer Galerie getroffen.
Genau wie sie es mit Hannah gemacht hatte – sie hatte ihr ein Zimmer in einer der exklusivsten Wohnanlagen der Stadt geboten, im Austausch dafür aber die Dienstleistungen einer inoffiziellen Sekretärin erwartet. Kein Zweifel: Isobel war ein Genie darin gewesen, zu bekommen was sie wollte, ohne einen Cent dafür auszugeben.
In der Küche hingen die dekorativen Wedgewood-Teller nicht mehr an der Wand, ansonsten sah aber alles unverändert aus. Hannah schaltete den Wasserkocher an. Sie konnten zwar ihr Bett und sogar ihre Bettdecke wegnehmen, aber wenigstens konnte sie noch eine Tasse Tee trinken.
Dieser Tag war ja wirklich die Krönung gewesen! Und auch ein sehr denkwürdiger Abend, wenn auch auf andere Weise, als sie sich das ausgemalt hatte.
Hannah konnte es noch immer kaum glauben, dass Brenton sich für einen derart unwiderstehlichen Typ hielt und meinte, dass er nur den kleinen Finger zu krümmen brauchte, damit sie ihm in die Arme fallen würde. Sie hatte ihm bestimmt keinen Anlass dazu gegeben, so etwas anzunehmen.
Er sah zwar ganz nett aus, aber sie hätte sich immer noch dafür ohrfeigen können, dass sie sich von ihm hatte täuschen lassen – auch wenn sie ihn nur als Freund angesehen hatte und nicht als potenziellen Geliebten.
Vielleicht war sie zu selbstkritisch. Denn offensichtlich war Brenton ein Meister darin, sich bei einer Frau beliebt zu machen, seinen Charme spielen zu lassen und sie für sich einzunehmen. Er hatte sich nicht mit Blumen und dem üblichen Schmus an Hannah herangemacht, sondern hatte sie dadurch für sich eingenommen, dass er ihr anspruchsvolle Gespräche bot. Er hatte sie über ihren Intellekt angesprochen, hatte sie um Rat gefragt.
Als Isobel hin und wieder nach einem Besuch bei Ken Stephens in Hannahs Büro vorbeigeschaut hatte, hatte Brenton sie geneckt, ihr geschmeichelt und sogar etwas mit ihr geflirtet. Damals hatte Hannah es sehr rücksichtsvoll gefunden, dass er sich so nett um eine alte, einsame Dame kümmerte. Im Rückblick sah das jetzt ganz anders aus: Er hatte Isobel mit seinem Charme beeindrucken wollen und hatte ihr gegenüber durchblicken lassen, dass er Hannah heiraten wollte …
Ob Isobel ihr deswegen die Hochzeitsschatulle vermacht hatte? Weil sie Brentons Absicht erkannt hatte und Hannah damit ihre
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