Julia Extra Band 0213
den Fingerspitzen.
“Ich will sie zurück, um sie ihrem rechtmäßigen Eigentümer, nämlich meiner Mutter, zu geben. Ich bin bereit, gutes Geld dafür zu zahlen, genau wie ich es schon Isobel angeboten hatte.”
“Ach, wirklich?” Hannahs Stimme triefte vor Skepsis. “Warum hat Isobel sie Ihnen dann nicht verkauft, wenn sie wirklich so geldgierig war?”
“Weil es ihr dann nicht mehr ums Geld ging”, antwortete er gereizt. “Sie liebte die Macht, die es ihr gab, mich zappeln zu lassen. Sie liebte es zu wissen, dass sie, obwohl mein Großvater schon viele Jahre tot war, seine Familie daran erinnern konnte, dass es sie immer noch gab. Sie genoss es, der Stachel im Fleisch zu sein.”
“Es tut mir leid”, erwiderte Hannah. “Ich vermute, Isobel war schon immer so. Aber was sie getan hat, hat absolut nichts mit mir zu tun.” Sie spielte mit ihrem Weinglas und sagte beiläufig: “Wie viel haben Sie ihr denn nun für die Schatulle geboten?”
Er sah sie lange an. So war das also. Sie würde aus ihm herausholen, so viel sie konnte. “Sie glauben doch wohl nicht, dass ich Ihnen das sage?”
“Das heißt also, Sie wollen mir nicht so viel geben, wie Sie ihr gezahlt hätten?” Sie schüttelte traurig den Kopf.
“Ich werde den Teufel tun und Ihnen diese Information einfach so geben.” Seine Stimme klang hart. “Die Frage, die sich jetzt stellt, ist, inwieweit Sie ihr ähneln.”
“Wie bitte?”
“Es ist ganz offensichtlich, dass Sie Isobels sadistische Ader geerbt haben”, sagte er bedächtig. “Der unbekannte Faktor ist, ob Sie es, wie sie, zu einer Kunstform entwickelt haben. Wie viel werde ich zahlen müssen, um zurückzubekommen, was mir gehört?”
Hannah starrte ihn an. Cooper wartete ab, ob seine Strategie erfolgreich sein würde. Direkte Fragen hatten sie nicht dazu gebracht, ihren Preis zu nennen; vielleicht war es ja wirkungsvoller, sie wütend zu machen.
“Nichts.”
Ihre Stimme war so leise, dass er glaubte, er hätte sich verhört. “Was haben Sie gesagt?”
“Ich meine, dass kein Betrag hoch genug wäre. Sie bekommen die Schatulle nicht, egal, was Sie noch versuchen.” Sie kramte in ihrer Handtasche und warf eine Hand voll Münzen auf den Tisch. “Das sollte für meinen Teil der Rechnung ausreichen.” Sie stand auf, nahm die Hochzeitsschatulle und wollte gehen. Doch dann drehte sie sich noch einmal zu ihm um. “Eins noch, Mr Winston. Da ich gerade ein Glas Wein bezahlt habe, das ich nie trinken wollte, möchte ich doch noch einen Nutzen daraus ziehen.”
Sie nahm ihr volles Weinglas und schüttete ihm den Inhalt mit einer schnellen Handbewegung über die Brust.
“Entschuldigen Sie”, sagte Hannah zum Kellner, der herbeigeeilt war. “Ich hoffe, ich habe nichts auf den Teppich geschüttet.”
Dann ging sie erhobenen Hauptes aus dem Lokal – die Schatulle fest in beiden Händen – und ließ erstarrtes Schweigen hinter sich zurück.
Der Wind war noch stärker geworden und blies nun unangenehm durch die Häuserfluchten. Aber Hannah war zu ärgerlich, um still zu sitzen. Deshalb nahm sie kein Taxi, sondern ging zu Fuß den ganzen Weg ins Büro zurück.
Cooper Winston hatte jeden einzelnen Tropfen verdient. Nur schade, dass es nur ein Glas Wein war, ein kleines noch dazu. Wenn er eine Flasche bestellt hätte, hätte sie ihm die noch über den Kopf geschlagen.
Allerdings hatte sich damit wohl auch die schwache Möglichkeit zerschlagen, dass er Stephens & Webster in Zukunft mit seinen juristischen Angelegenheiten betrauen würde.
Und wenn Isobel nun keine Säulenheilige gewesen war, na und? Obwohl Hannah doch gewisse Schwierigkeiten hatte, sich ihre betagte Cousine als kokette Kurtisane vorzustellen. Aber was auch immer Isobel getan hatte, bedeutete nicht, dass der Rest der Familie erpresserische Neigungen hatte, wie Cooper ja offensichtlich annahm.
Worüber sie sich nachträglich am meisten ärgerte, war die Tatsache, dass sie die ganze Zeit mit ihm gefühlt hatte und schon fast so weit gewesen war, ihm die Schatulle zurückzugeben. Sie hatte ihre letzte Frage aus reiner Neugier gestellt; nicht nur wollte sie wissen, wie viel ihm das Kästchen denn nun wirklich wert war, sondern sie hatte sich auch schon vorgestellt, wie dankbar er ihr wäre, wenn sie ihm mitteilen würde, dass er nichts dafür zu bezahlen brauchte …
Aus einer plötzlichen Laune heraus blieb sie stehen und sah sich die Hochzeitsschatulle genauer an. Bei Tageslicht betrachtet war sie zwar immer
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