Julia Extra Band 0258
nicht einmal geküsst! Okay, das war ihre Schuld. Er hatte ihre Verlobung ja mit einem Kuss besiegeln wollen, sie hatte das aus Panik verhindert. Sie wollte sich nicht aus Dankbarkeit küssen lassen.
Aber da würde sie ihre Einstellung ändern müssen. In wenigenStunden war sie schließlich seine Frau. Und schließlich wollten sie ja auch Kinder haben. Da musste sie ihn und seine Gefühle wohl so nehmen, wie sie waren …
Sie seufzte tief. Allein schon mal sein Vorschlag, Samstag zu heiraten. „Passt das bei dir?“ Das war doch verrückt! Das war ja wie bei einer Behörde!
Am liebsten hätte sie geantwortet: „Okay, ich notiere mir den Termin sofort.“
Stattdessen hatte sie geschwiegen und sich gesagt, dass jeder sein Päckchen zu tragen hatte. Dass er sie überhaupt heiraten wollte, war doch schon ein Riesengeschenk. Was machte es da, ob er nun mit dem Herzen dabei war oder nicht …
„Sehr viel!“, sagte sie laut, und eine Träne kullerte über ihre Wange aufs Laken.
„Hallo, ist da jemand?“ Das war eine vertraute weibliche Stimme.
Susan setzte sich kerzengerade im Bett auf. „Yvette?“, fragte sie hoffnungsvoll.
Schnell war alles Selbstmitleid vergessen.
„Ja. Mom ist auch hier. Was ist, können wir reinkommen?“ Susan sprang aus dem Bett. „Na klar!“
Die Tür öffnete sich, und Susan lief hin, um die beiden zu begrüßen.
„Mom!“ Glücklich drückte sie ihre Mutter an sich. Dann kam ihre Schwester an die Reihe, die die Tür hinter sich schloss.
„Yvette!“
„Du Teufelsbraten! Du angelst dir den attraktivsten Junggesellen von ganz Maine, und deine große Schwester weiß von nichts? Schäm dich!“
Die beiden Schwestern umarmten sich und küssten sich auf die Wange. „Jetzt will ich aber jedes klitzekleine prickelnde Detail hören!“
Susan wurde rot. Leider gab es da nichts zu berichten. Was Yvette wohl dazu sagen würde!
„Aber Yvette! Das geht dich gar nichts an!“, schimpfte ihre Mutter.
Susan ließ die Schwester los und schaute kurz zu ihr hin. Dann senkte sie verlegen den Blick. Befangen strich sie über das weite T-Shirt, das sie seit ihrem unfreiwilligen Bad im Meer nachts trug.
„Ihr seid ja früh angekommen“, meinte sie, um das Thema zu wechseln. „Wo ist denn Dad?“
„Der inspiziert gerade unsere Zimmer. Du kennst ihn doch. Er untersucht wahrscheinlich gerade jedes Handtuch, jede Seife, öffnet jede Schublade, knipst alle Lampen an und aus.“
Susan schmunzelte. Das war tatsächlich typisch für ihren Vater. „Aber ich glaube, in diesem Haus gibt es nichts zu meckern“, meinte sie lächelnd.
„Wollen wir es hoffen. Sonst könnte womöglich noch die ganze Hochzeit platzen“, scherzte Yvette. „Weißt du noch, wie er sich aufgeregt hat, als er herausfand, dass mein Mann Frankie nicht die Zahnpastatube aufrollt?“ Sie tat, als blieb ihr die Luft weg, und sie und Susan mussten herzlich lachen.
„Meine Lieben, lasst euren Vater aus dem Spiel. Es gibt doch jetzt Wichtigeres zu tun.“
Ida O’Connor nahm die beiden an die Hand und setzte hinzu: „Euer Vater ist ein tüchtiger Mensch mit hohen Ansprüchen. Das ist etwas Wertvolles! Jetzt zu dir, Susan. Was können wir für dich tun?“, fragte sie unternehmungslustig.
„Oh!“ Yvette schnipste mit den Fingern. „Da fällt mir ein, dass Jake mir eine Nachricht für dich mitgegeben hat.“
Besorgt sah Susan ihre Schwester an. „Du hast ihn schon getroffen?“
„Ja. Er kam, um uns vom Boot abzuholen.“
Yvette seufzte theatralisch. „Damals habe ich nicht gewusst, dass er unsterblich in diese Tatiana verliebt war. Er hatte sie in Frankreich in den Ferien kennen gelernt. Er traf sich nur mit mir, um sich abzulenken. Das habe ich dann später begriffen.“
Sie seufzte. „Na ja. Macht nichts. Auf jeden Fall hat es mein Selbstbewusstsein gestärkt.“ Sie sah zu Susan und erschrak.
Ernst meinte sie: „Denk nicht drüber nach, Susan. Tatiana gehört der Vergangenheit an. Heute heiratet er … dich!“
„Und wie lautet die Botschaft?“, wollte Susan wissen.
„Wieso? Welche Botschaft meinst du?“ Yvette hatte den Faden völlig verloren, und Susan musste schmunzeln. Das war typisch für ihre Schwester!
Yvette war eine hübsche Blondine – sie war zierlich, hatte keine einzige Sommersprosse im hübschen Gesicht und war das Ebenbild ihrer Mutter.
Susan selbst kam eher nach ihrem Vater – mit dem kastanienbraunenHaar, den Sommersprossen. Und sie war auch um einiges größer als die beiden
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