JULIA EXTRA BAND 0261
verbarg sich mehr, als man auf den ersten Blick vermutet hätte.
Er dachte daran, wie sie neben den Rebstöcken gestanden und der Wind mit ihrem Haar gespielt hatte. Aber es war gefährlich, solchen Bildern nachzuhängen, schließlich lag Paulette noch immer im Koma.
Wieder führten die Schuldgefühle über den Zustand seiner Exfrau dazu, dass er das Tempo erhöhte. Doch dann musste er daran denken, wie Rachel im Restaurant gesessen und den Wein probiert hatte.
Da sie ihn nicht bemerkt hatte, konnte er sie ungestört in aller Ruhe beobachten. Dabei hatte sich etwas in seinem Körper gerührt – etwas, das er schon lange nicht mehr gespürt hatte.
Irritiert über diese Reaktion hatte er nach der Flasche gegriffen, um zu sehen, wie viel sie getrunken hatte. Aber die Flasche war fast voll gewesen, genau wie ihr Glas.
In diesem Moment wurde sein Blick unwiderstehlich von ihren vollen roten Lippen angezogen und wanderte dann weiter zu ihrer Kehle, durch die gerade der erste Schluck Wein geronnen war.
Mon Dieu. Etwas so Provozierendes hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen.
Seine Hand umklammerte das Handy. „Da sie sich auf die Tokaier und Rieslinge konzentrieren will, wird sie sicher ein paar Tage hierbleiben. Sag mir Bescheid, wenn du ihre Bestellung in Empfang genommen hast.“
„Ich werde dafür sorgen, dass es ein großer Auftrag wird“, versprach Giles.
„Morgen bin ich wieder im Krankenhaus. Aber du kannst mir jederzeit eine Nachricht auf meiner Mailbox hinterlassen, falls du mich nicht erreichst. Ansonsten sehen wir uns spätestens auf dem Bankett.“
„ D’accord .“
Erleichtert stellte Luc das Handy wieder aus. Nun war Giles für die schöne Miss Valentine verantwortlich. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Am besten er fuhr wieder ins Krankenhaus. Das würde ihn auf andere Gedanken bringen.
Nachdem er seit drei Jahren so oft wie möglich hinfuhr, war es ihm fast zum zweiten Zuhause geworden.
Zu seiner Überraschung traf er ausgerechnet Paulettes Bruder Yves Brouet in dem Krankenzimmer.
Zwischen ihnen lag Paulette, Lucs Exfrau. Nur die Geräusche der Maschinen, die sie am Leben hielten, waren zu hören.
Normalerweise versuchten die beiden Männer, sich aus dem Weg zu gehen. Luc kam für gewöhnlich morgens, vor Arbeitsbeginn.
„Verdammt noch einmal – wie lange willst du dich eigentlich noch gegen die Familie stellen?“, fragte Yves und sah ihn anklagend an.
Gelassen und fest erwiderte Luc seinen Blick. „So lange wie nötig.“
„Lass meine Schwester in Ruhe sterben. Lass sie endlich Frieden finden!“
Mit zu Fäusten geballten Händen beugte Luc sich zu seiner Exfrau herab. Dann küsste er sie auf die blasse Stirn, drehte sich auf dem Absatz um und ging aus dem Zimmer.
Er wollte auf gar keinen Fall Streit vor Paulette. Innerlich war er davon überzeugt, dass sie alles mitbekam, was gesprochen wurde. Wie konnte Yves es wagen, in ihrer Anwesenheit von ihrem Tod zu sprechen?
Doch sein ehemaliger Schwager folgte ihm. „Du hast kein Recht, ihr Martyrium ewig zu verlängern.“
Nachdem sie ihr ganzes Leben lang gute Freunde gewesen waren, steckten sie jetzt in einer Sackgasse, aus der es kein Zurück zu geben schien.
„Ich bezahle für die Pflege hier, Yves.“
„Mit Geld hat das nichts zu tun. Wir reden über Paulette. Sie hätte das nicht gewollt, und das weißt du auch!“
„Wir beide können das leicht behaupten. Schließlich liegen wir nicht da drinnen und kämpfen um unser Leben.“
Vor Schmerz zog sich Yves’ Gesicht zusammen. „Das ist doch kein Leben. Gut, ich will es dir nicht länger verschweigen. DieFamilie hat beschlossen, einen Anwalt einzuschalten. Wir werden dich vor Gericht bringen und alles tun, damit diese teuflischen Maschinen endlich abgestellt werden.“
„Ja, ich weiß“, erwiderte Luc gepresst. „Mein Anwalt hat es mir bereits gesagt.“ Bestimmt würde auch seine Schwester Giselle davon Wind bekommen. Leider war sie auf der Seite von Yves und seiner Familie.
„Du kannst nicht gewinnen, Luc. Schließlich bist du nicht mehr mit ihr verheiratet. Nur unserer Freundschaft wegen haben wir dich überhaupt so lange gewähren gelassen. Aber jetzt ist der Punkt gekommen, um dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten.“
„Ich bin mir sicher, dass sie eines Tages aufwachen wird, Yves“, beschwor ihn Luc. „Und wenn das passiert, werde ich alles tun, um sie zu unterstützen.“
Doch Yves schüttelte den Kopf. „Nein. Du bist schon lange nicht mehr
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