JULIA EXTRA BAND 0262
einer anderen Frau, die gar nicht wirklich Sorcha Whittaker war, sondern nur deren Körper übernommen hatte.
Die wahre Sorcha Whittaker erlebte keine atemberaubenden Höhepunkte auf dem Konferenztisch ihrer Firma, zudem mit einem Mann, der sie offensichtlich verachtete. Die wahre Sorcha Whittaker würde auch ihr Outfit für den Abend nicht viermal wechseln, ehe sie sich sicher war, die perfekte Kombination gefunden zu haben.
Als es an der Haustür klingelte, lief sie nervös nach unten und öffnete. Cesare stand mit leicht geneigtem Kopf vor ihr. Er hatte die Krawatte abgelegt, aber ansonsten sah er ganz genauso aus wie bei der Arbeit.
„Hallo“, grüßte sie und fühlte sich schlagartig unsicher. Das hier kam ihr wie ein Date vor, dabei war sie sich verdammt sicher, dass es das nicht war. Es war nicht mehr als eine erotische Liaison – die Begleichung alter Rechnungen. Dennoch fühlte sie sich so schüchtern wie ein Teenager bei seinem ersten Rendezvous – doch wie in aller Welt konnte sie schüchtern sein nach dem, was an diesem Nachmittag zwischen ihnen vorgefallen war?
Cesare ließ seinen Blick über sie gleiten. Sie trug ein weich fallendes grünes Kleid mit golddurchwirkten Fäden. Ihre Locken fielen lose über ihre Schultern herab. Die goldenen Sandalen ließen ihre braun gebrannten Beine endlos lang wirken. „Hübsches Kleid“, murmelte er.
„Danke.“
„Bist du fertig?“ Er bemerkte ihren vorsichtigen Gesichtsausdruck, während sie ihm zum Wagen folgte, und dabei erkannte er, dass er die Macht längst vergangener Ereignisse unterschätzt hatte. Ihm war nicht klar gewesen, dass allein Erinnerungen Gefühle heraufbeschwören konnten, die er nicht fühlen wollte.
Dennoch hatte er jetzt, wenn er mit Sorcha zusammen war, das Gefühl, dass das Leben einmal leicht und süß gewesen war – zu einer Zeit, als er nur den langen, heißen Sommer eingeatmet hatte und seine Sinne für das damals unschuldige junge Mädchen erwacht waren …
„Musik?“, fragte er, sobald sie im Auto saßen.
Sorcha rutschte tiefer in den bequemen Ledersitz hinein. „Wenn du möchtest.“
Er schob eine CD ein und fuhr an. Beinahe im selben Augenblick wünschte Sorcha, dass er die CD wieder herausnehmen würde. Es erklang die schönste, herzzerreißendste Musik, die sie je gehört hatte.
Es war ein Mann, der auf Italienisch sang, und sie verstand nicht ein Wort. Doch das Lied klang so wundervoll und traurig zugleich, dass sie unweigerlich an Liebe und Verlust – an Schmerz und Glück – und an den Mann neben ihr denken musste. Sorcha schloss die Augen.
Sie musste sich zusammenreißen. Es war sinnlos, Dinge zu fühlen, die zu nichts führten, oder sich etwas zu wünschen, das niemals sein konnte.
Der Wagen fuhr vor dem einzigen Hotel am Ort vor – dem Urlin Arms, das von einem ehemaligen Admiral geführt wurde, der egozentrischen Luxus über effiziente Bequemlichkeit stellte. Es war ein alter Familiensitz, den er umgebaut hatte, und das Haus verfügte eindeutig über jede Menge Charakter.
„Du kennst das Hotel?“, fragte Cesare, als er die Tür für sie öffnete.
Sie stieg aus und blickte neben ihm zu dem Gebäude auf. „Ja, natürlich. Ich kann mich noch daran erinnern, wie es umgebaut wurde.“
„Magst du es?“
„Ich liebe es. Es ist einfach nur …“
„… überraschend, dass ich mich entschlossen habe, hier zu wohnen?“, bemerkte er trocken.
„Ein bisschen.“
Seine schwarzen Augen funkelten spöttisch. „Du hättest gedacht, dass ich mir irgendein hochmodernes Apartment voll Glas und Chrom in London anmiete, nicht wahr?“
„Ich bin erstaunt, Cesare – kannst du Gedanken lesen?“
„Nein, aber ich bin sehr gut darin, Körpersprache zu deuten“, murmelte er. „Besonders deine.“
Sorchas kühle Souveränität drohte zu bröckeln, als sie ihm nach drinnen folgte, wo der Admiral seinen üblichen Gin Tonic trank und einem Handelsvertreter aus Humberside die Probleme der modernen Marine erläuterte.
„Guten Abend, Admiral“, grüßte sie mit leicht gezwungenem Lächeln. Sie hoffte inständig, dass er tatsächlich ein Mann von Welt war, wie er immer behauptete, und weder ihrer Mutter noch Rupert gegenüber erwähnen würde, dass er gesehen hatte, wie sie mit Cesare di Arcangelo auf sein Hotelzimmer ging.
Sie gingen nach oben, wo Cesare offensichtlich das beste Zimmer angemietet hatte. Sorcha trat ein und blieb unschlüssig stehen. Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen oder tun sollte,
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