JULIA EXTRA BAND 0262
sie wie von ihm besessen gewesen. Es war so, als hätte er all ihre Gedanken beherrscht – alles um sie herum erinnerte sie an ihn.
„Ich habe gearbeitet“, antwortete sie.
„Wie enttäuschend. Ich hatte gehofft, du würdest an unser gemeinsames Erlebnis denken“, murmelte er weich. „Ich weiß, dass ich ununterbrochen daran gedacht habe.“
„Cesare – hör auf.“
Er lehnte sich gegen die Mauer der Fabrik. Nachdem auch der letzte Angestellte gegangen war, war er nun allein. „Also gut, ich bin gespannt zu erfahren, was du dir für später überlegt hast. Ich hole dich um sieben ab. Wir essen heute gemeinsam zu Abend, du erinnerst dich?“
Er hatte nichts von einem Dinner erwähnt – er hatte lediglich angedeutet, dass er sich mit ihr in seinem Hotelzimmer verabreden wollte. Sorcha zitterte. Mit der Distanz zwischen ihnen schien es plötzlich leichter, Nein zu sagen.
„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“, erwiderte sie ruhig.
Stille. Dann ertönte seine kalte Stimme: „Du hast dich kein bisschen verändert, weißt du? Du führst Männer noch immer gern an der Nase herum. Zuerst bist du voller Versprechungen, und dann erfüllst du sie nicht.“
Der Vorwurf traf sie tief – aber lag nicht sogar ein Körnchen Wahrheit darin? Sie konnte nicht wie ein gieriges Kind alles nehmen, was sie sich von ihm wünschte, und sich dann zurückziehen, aus lauter Angst, dass sie verletzt würde. Dennoch musste sie sich selbst schützen, um unerfüllbaren Hoffnungen keine Chance zu geben.
„Ich habe überhaupt nicht versucht, dich an der Nase herumzuführen“, entgegnete sie kühl. „Ich habe die Wahrheit gesagt, wenn du es unbedingt wissen musst – ich glaube wirklich nicht, dass es eine besonders gute Idee ist. Aber das heißt nicht, dass ich nicht komme.“
Cesare war erleichtert, dass sie nicht aus falscher Scham absagte. Ihre kühle Reaktion steigerte seine Erleichterung sogar noch. Er schloss die Augen und schluckte mühsam die anzügliche Provokation hinunter, die ihm auf der Zunge lag. Er bewegte sich hier auf dünnem Eis. Sorcha war unberechenbar.
„Ich werde dich um sieben abholen“, sagte er.
„Nein, komm um halb acht.“
Ungläubig starrte er auf sein Handy, nachdem sie aufgelegt hatte. Er stellte fest, dass er es einfach nicht gewohnt war, dass man sich so plötzlich von ihm verabschiedete. Normalerweise war er derjenige, der die Gespräche mit Frauen beendete. In der Regel behauptete er, dass er auflegen müsse, weil jemand anderes ihn zu erreichen versuche. Häufig hörte er dann eine schmollende Antwort wie: Oh, Cesare, du bist immer so beschäftigt!
Doch inzwischen konnte er es sich selbst aussuchen, wann er beschäftigt sein wollte und wann nicht. Er hatte eine Position erreicht, die ihm so viel Macht und Autorität verlieh, dass er delegieren konnte.
Von seinen krankhaft ehrgeizigen Eltern hatte er einiges geerbt, aber trotzdem war es ihm immer wichtig gewesen, es in seiner Branche aus eigener Kraft heraus zu schaffen.
Plötzlich zog ein düsterer Schatten über sein Gesicht, als er den leeren Parkplatz um sich herum mit den Orchideen zu Hause in Italien verglich. Mit einem Mal überfiel ihn fürchterliches Heimweh.
Er schaute hinauf in den Himmel. Indem er so viel um die Welt reiste, verpasste er nur allzu häufig die verschiedenen Jahreszeiten – der gewohnte Lauf der Dinge ging an ihm vorbei.
Der Pflaumenbaum im Garten seiner Villa, dessen pralle Früchte im August geerntet wurden, stand ihm auf einmal klar vor Augen. Wie lange war es her, dass er die Süße dieser Pflaumen geschmeckt hatte? Wann war er überhaupt das letzte Mal bei der Ernte dabei gewesen? Warum dachte er hier an diesem Ort so plötzlich an sein Zuhause?
Cesare runzelte die Stirn, als er sich das ländliche Heim vor Augen rief, das er ganz bewusst im Gegensatz zu der prächtigen römischen Villa gekauft hatte, in der er seine einsame Kindheit verbracht hatte.
Es ist einfach nur die ungestillte Begierde, dachte er bei sich, während er die Krawatte lockerte und zu seinem Wagen hinüberging.
Doch an diesem Abend würde er diese über Jahre dauernde Begierde endlich stillen. Mit einem Lächeln der Befriedigung kletterte er hinter das Steuer seines Sportwagens.
Sorcha starrte durch das Fenster auf den Rasen, der vor ihrem Haus angelegt war, wo ein Pfau sein buntes Federkleid zeigte und wie ein neugeborenes Baby quietschte. Sie fühlte sich merkwürdig entrückt, so als passierte dieser Abend
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