JULIA EXTRA BAND 0272
wiederholte Matilda unsicher. „Aber in Ihren E-Mails …“
„Für meine E-Mail-Korrespondenz benutze ich meinen zweiten Vornamen“, erklärte er kühl. Es war ja nicht wirklich gelogen. Er benutzte tatsächlich seinen zweiten Vornamen, zusammen mit dem Mädchennamen seiner Mutter – als Pseudonym. „Wir machen uns besser auf den Weg. Der Taxifahrer hat nur sehr ungern im absoluten Halteverbot geparkt. Ist das Ihr Koffer?“
„Ja, aber darum kann ich mich selbst kümmern“, entgegnete sie.
Er ignorierte ihren Einwand, griff an ihr vorbei und hob den Koffer hoch, als wiege er gar nichts.
„Haben Sie alles?“, wollte er wissen. „Pass, Tickets, Schlüssel, Geld …“
Matilda spürte, wie ihr eine unbekannte Röte ins Gesicht stieg. Genauso ungewohnt war das Gefühl, das ihren Körper beherrschte. Eine Mischung aus Verwirrung und erstaunlich heftigem Verlangen, kombiniert mit ungläubigem Schock.
Lag ihre Reaktion vielleicht an Weihnachten, dieser emotionalen Falle, die auf jede Frau lauerte, die unglücklich genug war, keinen liebenden Partner zu haben, mit dem sie feiern konnte? Auch wenn das Weihnachtsfest in den letzten Jahren immer kommerzieller geworden war, so hegte doch jeder im tiefsten Innern wie ein Kind den Wunsch, an Weihnachten das perfekte Geschenk zu bekommen – was in der Welt der Erwachsenen nichts anderes war als das Geschenk der Liebe, vollkommen, bedingungslos, frei gegeben und frei empfangen, auch wenn dies natürlich nur eine Illusion war.
Matilda wusste all das selbstverständlich. Also warum, warum war sie immer noch närrisch genug, sich insgeheim genau das zu wünschen? Sie war diejenige, die die Dinge in der Hand hatte, erinnerte sie sich streng. Nicht er. Und wenn er wirklich ihr Verlobter gewesen wäre, hätte sie ihm niemals dieses anmaßende Verhalten durchgehen lassen. Er machte sich ja nicht mal die Mühe, sie zu küssen …
Sie zu küssen?
Matilda stand in der Eingangshalle und starrte ihn entsetzt an, während ihr Herz einen Satz machte.
„Stimmt etwas nicht?“
Diesen eisblauen Augen entging nicht viel, erkannte sie. „Nein, alles in Ordnung.“ Sie schenkte ihm ihr bestes Ich-binder-Boss-Lächeln und trat durch die Tür.
„Schlüssel?“ Diese Frau brauchte keinen Begleiter, sie brauchte jemanden, der sich um sie kümmerte, entschied Silas grimmig, während er beobachtete, wie Matilda hektisch in ihrer Tasche nach dem Schlüssel fischte, den sie schließlich ins Schloss steckte. Es war nur gut, dass Joe sie nicht begleitete. Die zwei wären nicht mal bis Heathrow gekommen, ohne festzustellen, dass einer von beiden etwas Wichtiges vergessen hatte.
Ihm war es allerdings ein völliges Rätsel, warum sie es nötig hatte, einen Mann zu mieten. Bei diesem Aussehen und der Figur hätte er eher erwartet, dass sie sich die Männer vom Leib halten musste, anstatt sie dafür zu bezahlen, dass sie sie begleiteten. Seine Hormone reagierten jedenfalls ganz eindeutig auf ihr honigblondes Haar, die grüngoldenen Augen, diese sinnlichen Lippen und den umwerfenden Körper.
Ich tue Joe wirklich einen Gefallen, indem ich für ihn einspringe, entschied Silas. Sein leicht zu beeindruckender Bruder hätte diesen Job niemals mit der nötigen Professionalität erledigen können. Nicht, dass Silas je in Versuchung geraten wäre. Und selbst wenn, hätte für ihn viel zu viel auf dem Spiel gestanden, als dass er es hätte riskieren können, sich sexuell mit einer Frau wie ihr einzulassen.
Was war nur los mit ihr, fragte sich Matilda fieberhaft. Sie war achtundzwanzig Jahre alt, erwachsen, verantwortungsbewusst und vernünftig. Sie reagierte einfach nicht in dieser Art auf einen Mann. Rasch versicherte sie sich daher, dass es auch gar nicht an Silas lag, sondern nur an der absurden Situation.
Mit grimmigem Blick schaute sie zum grauen Dezemberhimmel auf. Es hatte angefangen zu regnen, sodass der Bürgersteig bereits nass war. Nass und gefährlich rutschig, wenn man neue Schuhe mit glatter Ledersohle trug, wie Matilda feststellte, als sie die Balance verlor.
Silas fing sie auf, ehe sie in die offene Taxitür fallen konnte. Sie fühlte die Kraft seiner Hände durch den weichen Stoff ihres Mantels. Außerdem spürte sie die Wärme, seine Wärme, und urplötzlich stockte ihr der Atem. Rasch schaute sie zu ihm auf, um ihm für seine schnelle Reaktion zu danken. Er erwiderte ihren Blick, und Matilda musste unwillkürlich blinzeln, während sie wie gebannt auf seinen Mund starrte. Ihr
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