JULIA EXTRA Band 0281
ausfüllte.
„Wer bist du?“, fragte Alexas Sohn in kindlicher Neugier.
Giovanni aber betrachtete das Kind ungläubig und erstaunt. Im ersten Moment glaubte er, sich selbst als Jungen zu sehen. Dann schwand der Schock. Giovanni blickte auf und sah Alexa an.
Sie las die unausgesprochene Frage in seinem Blick und nickte. Wie hätte sie es auch leugnen sollen? Ja, besagte ihr Blick, es ist dein Sohn.
„Wie alt ist dein kleiner Junge?“ Giovannis Stimme klang mühsam beherrscht. Denn obwohl er die Antwort insgeheim kannte, war er Realist genug, um erst alle Fakten zusammenzutragen. Außerdem gab es ihm Zeit, nachzudenken.
Alexa zögerte. „Paolo ist vier Jahre … und drei Monate.“
Damals, als er ihr all die hässlichen Verdächtigungen entgegengeschleudert hatte, hätte er ihr vermutlich nicht geglaubt. Doch inzwischen waren fünf Jahre vergangen, und sein Urteil war vielleicht nicht mehr von krankhafter Eifersucht getrübt. Außerdem konnte auch Giovanni nicht leugnen, was er mit eigenen Augen sah. Alexa jedenfalls spürte, dass er Paolo sofort als seinen Sohn anerkannte.
Doch sein eiskalter Blick erstickte im nächsten Moment die Freude, die unwillkürlich in ihr aufkeimen wollte.
„Sagst du es ihm?“, erkundigte er sich bedrohlich leise. „Oder soll ich es tun?“
4. KAPITEL
„Was sollst du mir sagen?“, fragte Paolo sofort interessiert.
Alexa blickte in die großen dunklen Augen ihres Sohnes, die so vertrauensvoll zu ihr aufsahen. Sobald sie es ihm erklärte, würde seine Welt nie wieder so sein wie zuvor. Sollte dieser Schritt nicht mit Bedacht geschehen?
Zögernd wandte sie sich Giovanni zu, dessen eiskalter Blick sie zu durchbohren schien. Doch seine Vorwürfe konnten sie nicht schrecken. In diesem Moment zählte für sie nur Paolos Wohl. Bitte tu ihm nicht weh, bat sie Giovanni deshalb mit einer stummen Geste. Er trägt keine Schuld an diesem Schlamassel.
Giovanni sah sie nachdenklich an und nickte dann kaum merklich. Oder hatte sie sich das nur eingebildet?
„Ich bin ein guter Bekannter deiner Mutter“, antwortete er Paolo an ihrer Stelle.
„Ich kenn dich aber gar nicht“, meinte Paolo ein wenig trotzig. Der Junge schien instinktiv zu spüren, dass der fremde Mann in sein Territorium eindrang. Alexa hoffte inständig, dass Giovanni einfühlsam reagieren würde. „Bist du Mamas Freund?“, fügte der Kleine nun argwöhnisch hinzu.
„Wieso? Hat deine Mama denn viele … Freunde?“, erkundigte sich Giovanni prompt, wobei er Alexa erneut einen verächtlichen Blick zuwarf.
Alexa jagte es einen kalten Schauer über den Rücken. Da Giovanni sowieso nur das Schlechteste von ihr dachte, hatte es überhaupt keinen Sinn, ihm zu erklären, dass sie in den letzten fünf Jahren nicht einen einzigen Freund gehabt hatte. „Ich kenne Giovanni von früher“, beantwortete sie die Frage ihres Sohnes so allgemein und ausweichend wie möglich.
Paolo schien es zu genügen. Nach kurzem Überlegen nickte er ernst und blickte zu dem großen Italiener auf. „Bleibst du?“, fragte er mit der erfrischenden Direktheit eines Kindes.
Es folgte ein angespanntes Schweigen, das Giovanni schließlich mit einem leisen Lachen brach. „Da musst du deine Mutter fragen.“
Verzweifelt überlegte Alexa, wie sie ihn abwimmeln konnte. Sie brauchte Zeit, um sich zu fassen und ihre nächsten Schritte gründlich zu überlegen. „Hör zu, wir sollten hier wirklich nicht länger bei offener Tür stehen, denn so zieht alle Wärme nach draußen. Giovanni …“ Sie sah ihn beschwörend an, „… warum kommst du nicht morgen vorbei? Vielleicht zum Tee? Das würde dir doch auch gefallen, nicht wahr, Paolo?“
„Ich bleibe“, erwiderte Giovanni ungerührt. „Wenn Paolo nichts dagegen hat?“
Sichtlich beeindruckt von dem großen Fremden und in dem wichtigen Gefühl, in eine Erwachsenenentscheidung mit einbezogen zu werden, schüttelte Paolo den Kopf. „Spielst du mit mir?“, fragte er und zupfte an Giovannis dunklem Kaschmirmantel.
„Sicher, wir können es ja mal ausprobieren“, meinte Giovanni.
Ungläubig beobachtete Alexa, wie er ihrem kleinen Sohn ins Wohnzimmer folgte. Am liebsten hätte sie sich gekniffen, um sicher zu sein, dass sie nicht träumte. Doch dies war schlimmer als ihre ärgsten Albträume … dass Giovanni auf diese Weise die Wahrheit entdeckte.
Ich habe es ihm aus gutem Grund verschwiegen!, rief sie sich energisch ins Gedächtnis. Und auch jetzt musste sie stark bleiben, um Paolo zu
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