JULIA EXTRA Band 0286
mich an Bryns Eltern. Bei ihnen war es auch Liebe auf den ersten Blick.“ Traurig fügte sie hinzu: „Leider waren ihnen nur ein paar Jahre vergönnt …“
Mia ahnte, was in Bryn vorgehen musste, als Agnes die Erinnerung an seine Eltern wachrief, und sie empfand tiefes Mitleid mit ihm. Ihr Urteil von seinem Charakter war vorschnell und ungerecht gewesen. Nach dem, was er als Kind durchgemacht hatte, war es da verwunderlich, dass er sich jetzt nur für sein Vergnügen interessierte?
„Das ist alles schon lange her, Tante Aggie“, sagte er rau.
„Ich weiß, mein Junge … Manchmal werfe ich mir vor, dass ich nicht genug für dich getan habe.“
„Das ist Unsinn! Einen besseren Vormund als dich gibt es nicht.“
„Aber das Elternhaus konnte ich dir nicht ersetzen, auch wenn ich es versucht habe.“
„Denk jetzt nicht mehr daran. Du hast alles getan, was du tun konntest.“ Liebevoll streichelte er ihre Hand.
Sie lächelte ihm zu, dann wandte sie sich an Mia. „Aber jetzt hat er ja Sie, mein Kind. Sie werden ihn für uns beide lieben, wenn ich nicht mehr da bin, nicht wahr? Lange wird es nicht mehr dauern …“
Mia konnte die Tränen kaum noch zurückhalten, und ihr Schuldgefühl wuchs ins Unermessliche. Wie konnte sie diese arme Frau so belügen?
„Das verspreche ich Ihnen“, flüsterte sie. „Er ist … ein wundervoller Mensch.“
„Ich bin so froh, dass Sie das sagen. Die meisten Menschen haben das nie erkannt. Im Rampenlicht zu stehen ist nicht einfach … Aber als Schauspielerin wissen Sie das selbst am besten.“
„Leider bin ich keine sehr gute.“
„Das sagen Sie nur aus Bescheidenheit. Aber ich glaube, Bryn hatte nicht ganz Unrecht mit dem, was er in seinem Artikel geschrieben hat – obwohl der Ton unnötig scharf war.“ Sie warf ihrem Großneffen einen tadelnden Blick zu, bevor sie weitersprach. „Für diese Rolle sind Sie nicht geeignet. Sie haben etwas rührend Unschuldiges an sich, und das ist heutzutage ausgesprochen selten.“
Mia fragte sich, was Bryns Großtante von ihrer Unschuld halten würde, wenn sie die Wahrheit wüsste.
„Wir lassen dich jetzt besser allein, Tante Agnes“, sagte er. „Du bist müde. Ich schaue später noch mal vorbei.“
„Danke, mein Liebling.“ Und zu Mia: „Wahrscheinlich hatten Sie noch gar keine Gelegenheit, über den Hochzeitstermin zu sprechen, alles ging ja so schnell … Ich weiß, es ist sehr egoistisch von mir, aber ich möchte Ihren großen Tag so gerne noch miterleben. Und viel Zeit bleibt mir nicht mehr …“
„Ich möchte auch, dass Sie dabei sind“, flüsterte Mia. Ihre Augen schimmerten verdächtig.
Bryn legte einen Arm um ihre Taille. „Sobald wir das Datum wissen, bekommst du Bescheid, Tante Agnes.“
„Danke … Es tut mir leid, dass ich euch so dränge …“
Bryn beugte sich hinab und küsste sie auf die Wange. „Das tust du ganz und gar nicht. Ruh dich jetzt aus, Tante Aggie. Bis später.“
Auch Mia gab der alten Dame einen Kuss. „Ich bin so froh, dass wir uns kennengelernt haben, Agnes.“
„Ich auch, liebes Kind. Für meinen Bryn kann ich mir keine bessere Frau wünschen.“
Als sie den Parkplatz erreichten, war Mia in Tränen aufgelöst. Vergeblich suchte sie in ihrer Handtasche nach einem Kleenex, und Bryn reichte ihr schweigend sein Taschentuch.
„Entschuldige, aber ich …“
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“ Er legte die Arme um sie und drückte ihren Kopf an seine Brust.
„Das ist schrecklich“, schluchzte sie. „Wie kannst du es nur ertragen? Ich … Es erinnert mich an die Zeit, als meine Oma starb. Das ist sieben Jahre her, und ich bin immer noch traurig, wenn ich an sie denke.“
Besänftigend strich er ihr über das duftende Haar. Ihr aufrichtiger Kummer weckte erneut ein sonderbares Gefühl in seiner Brust.
Sie hob den Kopf und sah ihn aus verweinten Augen an. „Ich … ich komme mir wie ein Ungeheuer vor. Vielleicht findest du mich sentimental oder total verdreht …“, sie schniefte, „… aber ich … ich wollte, wir hätten uns wirklich ineinander verliebt und würden ihr jetzt nichts vormachen.“
Bryn schaute in das verweinte Gesicht, und dieses seltsame Ziehen in seinem Inneren wurde stärker. Wie müsste es sein, von jemandem wie ihr geliebt zu werden?
Der einzige Mensch, der ihn seit dem Tod seiner Eltern wirklich liebte, war Tante Agnes. Dabei hatte er ihr das nie leicht gemacht. Obwohl er es bestritt, war er über den Verlust seiner Eltern nie
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